Zwei wie wir: Roman (German Edition)
Schultern. Jeder ist seines Unglückes Schmied. Torstens Ansage ließ keine Zweideutigkeiten offen. Er wollte es so.
Und so konnten wir in den letzten zehn Jahren Torsten dabei beobachten, wie er sechzig oder siebzig Stunden in der Woche in seiner Rechtsanwaltskanzlei rackerte, daneben stundenlang sein Online-Aktienportal pflegte und am Wochenende auch noch Werbeprospekte in der Nachbarschaft austrug – alles, um seiner Katarina jeden Wunsch zu erfüllen.
Das Seltsame war, dass Torsten trotzdem glücklich war. Lag vermutlich daran, dass er sozusagen nach oben geheiratet hatte. Zumindest bildete er sich das ein. Sie war eine Superfrau, die ein Durchschnittstyp wie er eigentlich nicht verdient hatte. Also legte er sich unermüdlich ins Zeug.
Ich rufe Inna an, sage ihr dass es später wird. Dann gehe ich mit den Jungs im Olympischen Feuer auf dem Schulterblatt essen, einer Straße im Herzen des Schanzenviertels, die schon so einiges gesehen hat: wilde Straßenschlachten und brennende Autos, den Zuzug von Werbern in ihren Porsches, die Umwandlung eines Szeneviertels in eine Partymeile. Und trotzdem fühlten wir uns hier immer noch pudelwohl.
Wir bestellen Gyros, Calamares und Souflaki. Torsten das eine, ich das andere, Sascha alles zusammen.
Wie immer klingt unser Gespräch zunächst wie eine Arztvisite. Arthrose im Knie, Steine in der Niere, Erbsen in der Prostata. Nachts nicht schlafen, morgens nicht rauskommen. Haarausfall. Männer über vierzig reden nicht nur über Fußball, sondern auch über Krankheiten.
Außer Sascha. Der bestellt sich noch einmal nach und verkündet gut gelaunt: »Ich weiß nicht, was euer Gejammer soll. Mein Arzt sagt mir regelmäßig, dass ich bei meinem Gewicht eigentlich schon längst tot sein müsste. Aber wie ihr seht, geht’s mir bestens. Genießt das Leben, Leute. Wenn euch eines Tages mal nichts mehr wehtut, seid ihr vermutlich tot.«
Nach Grappa und Espresso geht’s uns richtig gut. Wir ziehen ins Bedford Café um, sitzen draußen, sind umzingelt von Mädchen, die unsere Töchter sein könnten, es zum Glück aber nicht sind. Wir reden über Politik, Geld, Rente, Frauen, Männer, Liebe, Sex. Und noch einmal von vorne.
Sascha, der noch genug Speisereste zwischen den Zähnen hat, um eine vierköpfige Familie zu ernähren, erzählt von seinem neuen Film. Ein Streifen über Schwule in Russland, wo sie wenig zu lachen haben. Hinter der dicken Oberfläche steckt verdammt viel Mut. Torsten erzählt von Katarina, die gerade mit einer Freundin nach Dubai zum Shoppen gefahren sei. Sie würde zwar nicht anrufen und auch keine Postkarten schreiben, aber er bekäme ja regelmäßig die Kreditkartenabrechnungen und wüsste daher, dass es ihr gut geht. Ich erzähle den beiden von Inna und mir und unserem bevorstehenden Hochzeitstag.
»Und ihr habt keinerlei Probleme, ihr zwei? Sogar nach dreizehn Jahren nicht?«, fragt Torsten, so ungläubig wie neidisch.
»Muss man welche haben?«, frage ich zurück.
»Natürlich nicht. Ist aber die Ausnahme.«
»Vielleicht sind wir das, eine Ausnahme.«
»Klopf auf Holz«, sagt Sascha.
»Unglaublich«, sagt Torsten.
»Das ist es wirklich«, sage ich. Und hämmere wild mit den Knöcheln auf den Tisch.
8
D a s von der Bundesregierung beschlossene Elterngeld ist zweifellos eine sinnvolle Einrichtung. Allerdings sollte es meiner Meinung nach so hoch sein, dass sich die Betroffenen nach Brasilien absetzen und dort ein sorgenfreies Leben führen können. Ohne ihre Kinder.
Ich liebe Julian wie meinen eigenen Sohn und Emma wie nur irgendetwas. Aber ich mache mir keine Illusionen. Genau wie alle Kinder vereinigen sie auf sich alle diejenigen Charaktereigenschaften, die man für gewöhnlich Diktatoren, Vorgesetzten oder Gewaltverbrechern zuschreibt.
Julian betrachtet mich als eine Art sprechenden Geldautomaten, den man praktischerweise auch als Chauffeur, Englischlexikon oder Bring-du-es-Inna-bei-Diplomaten einsetzen kann.
Emma ist dagegen pflegeleicht. Sie ist schon zufrieden, wenn sie zweimal in der Woche auf ihren Reiterhof darf und regelmäßig Nachschub an Manga-Büchern bekommt, in denen es um großäugige Supergirls in Matrosenanzügen geht, die gegen blutrünstige Dämonenfürsten kämpfen.
Die Stimmung zwischen Inna und mir bleibt seltsam, ohne dass ich wüsste, woran es liegt. Wir hatten diesen dämlichen Streit, nachdem ich mit Gerrit versackt bin. Aber eine echte Versöhnung ist ausgeblieben. Sex bleibt weiterhin Mangelware, und auch sonst
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