Zwei wie wir: Roman (German Edition)
schlank, gut bemopst und mit einem hohlwangigen Anne-Vyalitsyna-Gesicht, mit dem sie locker die Titelseite jeder Modezeitschrift zieren könnte. Allerdings sollte man nicht verschweigen, dass Ludmilla Ingenieurin ist und bei einer Hamburger Werft arbeitet. Achims Geld will sie also offensichtlich nicht, denn sie verdient gut. Was sie sonst von ihm wollen könnte, ist mir ein Rätsel.
»Also komm schon, sag mir, was du denkst«, fordert Achim mich auf.
Ich zucke mit den Schultern. Wenn er unbedingt möchte. »Nur eine Frage: Müsst ihr denn gleich heiraten?«
»Müssen nicht. Aber wollen.«
»Und warum?«
»Warum hast du geheiratet?«, fragt Achim zurück.
»Gott, was weiß ich. Weil wir es wollten.«
»Eben.«
»Das ist was anderes.«
»Warum? Weil ich alt bin?«
»Das hast du gesagt.«
»Also?«
»Weil es einfach keinen Sinn macht. Ludmilla und du mögt euch, und das ist gut so, aber wofür braucht ihr den amtlichen Wisch, dass ihr zusammengehört? Was soll das?«
»Du machst dir Sorge um dein Erbe, was?«
»Ja, ganz bestimmt.«
»Sag es ruhig.«
»Achim! Von mir aus kannst du dein Geld Ludmilla auch schenken. Darum geht’s nicht.«
Achim rührt gedankenverloren in seinem Kaffee. Dann sieht er hoch, und ich entdecke eine überraschende Melancholie in seinem Blick. »Ist dir eigentlich klar, dass ihr dieses Jahr mich und deine Mutter einholt?«
»Wie? Einholen? Wer?«, frage ich verständnislos.
»Na Inna und du. Ihr seid dieses Jahr doch seit fünfzehn Jahren zusammen. Deine Mutter und ich haben es nur vierzehn Jahre miteinander ausgehalten.«
Ich sehe ihn überrascht an. Unter dem Aspekt habe ich die Sache nie betrachtet. Ich seufze und lasse den Gedanken sacken. Auch ich werde melancholisch, beschließe dann aber, dass ich keine Lust habe, mit Achim darüber zu sprechen.
»Was sagt Ludmilla eigentlich zu euren Hochzeitsplänen?«, frage ich.
Achim lächelt schief. »Dasselbe wie du.«
»Ach!«
»Ja, sie findet es überflüssig.«
»Bestell ihr schöne Grüße«, sage ich lachend. »Und jetzt entschuldige mich bitte. Ich muss mich um meine Gäste kümmern.«
I c h war zwölf Jahre alt, als sich meine Eltern getrennt haben. Ich erinnere mich noch gut an den Tag, an dem ich es erfahren habe.
Zu dem Zeitpunkt bestand die normale Geräuschkulisse, wenn ich einschlief, aus den Streitereien meiner Eltern. Das heißt, zuerst hörte ich meistens das Klirren von Eis in einem Glas und das Klicken eines Feuerzeugs. Achim mixte sich einen Drink, und meine Mutter zündete sich eine Zigarette an. 1978 gehörten Alkoholismus und Kettenrauchen noch zum guten Ton. Dann ging es los.
»Wo warst du letzte Nacht?«, fragte meine Mutter vorwurfsvoll.
»Das geht dich gar nichts an.«
»Ich bin immerhin deine Frau.«
»Dann benimm dich auch so.«
»Das musst du gerade sagen.«
Und so weiter und so weiter. Die beiden schrien sich an, machten sich Vorwürfe, meine Mutter weinte, mein Vater sagte ihr, dass sie sich nicht so anstellen solle, nur weil er ein bisschen Spaß hätte mit seiner Kollegin, seiner Sekretärin, seiner Tennispartnerin, seiner Masseurin, seiner Bekannten von früher …
Wenn die beiden Angst hatten, dass ich oder meine Schwester etwas mithören könnten, legten sie eine Platte von Peter Alexander auf. »Die kleine Kneipe in unserer Straße«. Heute sehe ich Charlys Tante in der Verfilmung von 1963 und denke an die Scheidung meiner Eltern.
An diesem speziellen Abend wurde ich wach, weil sich meine Eltern ausnahmsweise nicht stritten. Eine unheimliche Stille erfüllte das Haus, und das, obwohl Papa und Mama beide da waren. Ich hatte erst ein gutes Gefühl und dann ein ganz mieses. Ich setzte mich im Pyjama zu meiner Schwester auf die Treppe. Wir hielten uns an der Hand und hörten zu, wie meine Eltern ihre Scheidung besprachen. Noch während wir da auf der Treppe saßen, nässte ich mich ein. Von Hilde gab’s dafür einen Kuss, von Achim eine Ohrfeige. Drei Monate später zog er aus.
In den ganzen Jahren danach hatte ich Erinnerungen, die mir vorkamen wie verpixelte Bilder, die erst im Nachhinein freigeschaltet wurden. Achims Sekretärin, die im Negligé bei uns im Bad stand, natürlich an einem Tag, an dem meine Mutter nicht da war. Achim, der braungebrannt in Shorts und Poloshirt nach Hause kam, obwohl er angeblich auf einer Dienstreise in Hannover gewesen war.
Mittlerweile kann ich darüber lachen. Immerhin reden wir über das Jahr1978 , und damals gehörten Seitensprünge noch
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