Zwei wie wir: Roman (German Edition)
anders geworden seitdem. Ich sehe mehr Tageslicht. Ich ernähre mich besser. Ich treibe sogar gelegentlich Sport.
Trotzdem soll das nicht heißen, dass ich mich verändert hätte, ohne es zu wollen. Oder nur für sie. Nein, ich habe einfach ein paar Dinge gelernt, und dafür bin ich verdammt dankbar. Aber gut, das ist die Message, die ich an mich selbst habe. Hörst du, Alex? Das hier bin ich. Ich rede zu dir, dein Ich aus dem Jahr 1997. Ich bin jetzt 31. Nicht mehr ganz jung. Und was diesen Anzug angeht, da hat Inna natürlich keine Ahnung. Das Ding ist scharf. Lass dir da bloß nicht reinquatschen von ihr. Bei anderen Dingen dagegen kannst du ruhig flexibel sein. Du hast eine kluge Frau geheiratet. Eine, von der du etwas lernen kannst. Trotzdem haben wir uns etwas versprochen. Das, was Inna vorhin gesagt hat: Dass wir ehrlich sein wollen. Auch wenn es schmerzt. Und noch etwas: Dass wir wir selbst bleiben wollen. Sonst würde es vermutlich nicht klappen. Sie ist so. Ich bin anders. Wenn du das hier also siehst – keine Ahnung, wann das sein wird und wie alt du dann bist. Dann frage dich, ob du es geschafft hast. Ob du immer noch du selbst bist. Wenn ja, dann überlege, was du richtig gemacht hast. Wenn nein, dann überlege, was du falsch gemacht hast. Aber don’t panic , hörst du? Egal wie es kommt, es wird schon richtig sein. Denn eines hast du dann, wenn du das hier siehst, hoffentlich nicht vergessen: Dass du die tollste Frau geheiratet hast, die dir je begegnet ist … Okay, das war’s von mir. Aus, Ende. Außerdem müssen wir jetzt los, in die Kirche. Es wird ernst.«
Wir sehen uns kurz in die Augen und küssen uns.
Und wieder sieht man mich selbst, wie ich mich nach vorne vor die Kamera beuge und an ihr herumfummele. Dann ist das Video zu Ende, und nur noch graues Flimmern erfüllt den Bildschirm.
G e genwart. Ich und Inna auf dem Sofa im abgedunkelten Wohnzimmer, drei Tage vor unserem 13. Hochzeitstag. Ich stehe auf und stelle den Videorekorder aus. Inna bleibt sitzen und sieht mich an.
»Wow«, sagt sie. Und dann noch einmal: »Wow. Ich hatte vergessen, dass es das gibt. Wo kommt es auf einmal her?«
»Ich habe es beim Kelleraufräumen gefunden. Von daher hast du natürlich recht. Aufräumen ist doch für etwas gut.«
»Schön, dass du das einsiehst.«
»Geiles Ding, oder? Ich finde, wir sollten uns die Idee patentieren lassen und ein Business draus machen. Wir nennen die Firma … Message in a bottle . Wie findest du das?«
Sie lächelt. »Gar nicht schlecht. Bringt vielleicht mehr Geld als eine Espresso-Bar.«
»Ach, komm schon, Inna. Keine Spitzen. Stell es dir doch mal vor: Wir drehen Videos von Hochzeitspaaren, in denen sie ihre Vorsätze verkünden. Dann nehmen wir die Tapes zehn oder zwanzig Jahre unter Verschluss. Und danach zeigen wir sie den Paaren wieder.«
»Gute Idee, wirklich«, sagt Inna. »Aber tust du es auch? Oder bleibt es bei der Idee?«
»Hey, du kennst mich doch.«
»Eeeben«, sagt sie und zieht das Wort in die Länge.
»Hey, sei nicht gemein.«
»Ich bin realistisch.«
»Okay, schon klar. Aber darum geht’s doch gerade nicht, oder?«
»Doch, schon«, sagt sie.
Sie steht vom Sofa auf und drückt mir einen Kuss auf die Lippen. »Das war verdammt schön. Ich danke dir dafür.«
Ich höre ihre Schritte auf der Treppe, sie verschwindet nach oben ins Schlafzimmer. Ich bleibe sitzen und spule das Band zurück. Ich sehe es mir noch einmal an. Bin ich so geblieben, wie ich mal war? Will ich das überhaupt noch? Gibt es Grund zu paniken?
11
I c h mache die Augen auf. Es ist so weit. Samstag. Mein 13.Hochzeitstag. Heute. Inna steht vor dem Bett. Stahlharte Augen, zusammengepresste Lippen. Der General.
»Zimmer! Aufstehen! Aber zack, zack, wenn ich bitten darf.«
Erst jetzt mache ich die Augen wirklich auf. Inna steht da, ist aber keineswegs der General. Sie lächelt milde. Nur eine kleine Spur streng. »Los, Alex. Steh endlich auf. Wir haben unglaublich viel zu tun, bevor die Gäste kommen.«
»Mir fällt spontan nur eines ein … « Ich sehe sie so an, dass sie versteht, was ich meine.
»So siehst du aus!« Sie lächelt, aber wie Magerquark.
Ich richte mich auf, nehme ihre Hand, ziehe sie aufs Bett und drücke ihr einen Kuss auf die Lippen.
Sie dreht den Kopf zur Seite. »Gott, du schmeckst wie eine ganze Kneipe.«
»Ist das gut oder schlecht?«
»Ekelig.« Sie lacht. »Ihr wart gestern lange unterwegs, was?«
»Kann man so sagen.«
»Ich verstehe es nicht.
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