Zwei Wochen danach (German Edition)
ignoriert, was Heike gesagt hat. „Für mich ist das auch nicht leicht! Aber wir müssen Vorbereitungen treffen. Und wenn du nicht willst, dann entscheide ich !“ Sie geht aus dem Zimmer.
Eine Weile hört Heike gar nichts mehr.
Sie weiß, dass Veronika Sebastian nicht einäschern lassen wird, wenn sie es selbst entscheidet.
Sie wird die Zeremonie planen, wie es in ihrer Familie üblich ist.
Heike will nicht. Sie will sich keine Gedanken machen, welche Leute benachrichtigt werden müssen und sie will auch nicht entscheiden, wie Sebastian unter die Erde kommt.
Sie will nur ihren Mann wieder. Den letzten Freitag ungeschehen machen. Dass ist alles, was sie will. Für mehr besitzt sie nicht die Kraft.
Plötzlich hört sie Veronikas Stimme. Ihre Schwägerin telefoniert.
***
(Kristel)
Kristel schaut auf die Uhr, als sie den Joghurt unter die Bananenstückchen rührt. Viertel nach drei.
In der Mittagspause hat Ludwig kurz angerufen. Hat ihr gesagt, dass er früher Schluss macht.
Aber trotzdem, vor sieben wird er nicht hier sein.
Die Jungen sind relativ ausgeglichen heute. Pit hat nur kurz geschlafen, aber er hat beim Aufwachen nach ihr gerufen und nicht geweint.
Kristel gibt sich Mühe. Sie weiß, dass sie Geduld haben muss, dass es sonst gar nicht funktioniert. Auch wenn Pit seinen eigenen Kopf hat. Das hat sie sich bei Heike abgeguckt. Und die hatte es von Ludwig. Der war ein genauso geduldiger Opa, wie er damals ein geduldiger Vater für Heike war.
Als sie die Schälchen im Wohnzimmer vor den wartenden Jungen aufbaut, streicht sie dem Kleinen über den Kopf.
Kristel geht in die Küche zurück und holt sich ihre Schale und ihren Kaffee.
Sie lebt in Etappen.
Erste Etappe Frühstück bis Mittagessen. Zweite Etappe Mittagsschlaf. Dritte Etappe Nachmittag bis zum Abend und die vierte am Abend, wenn die Buben schlafen.
Zum Glück tun sie das.
Ab und zu greift sie zu Pit hinüber, der den Löffel schon allein halten will. Auch ein Vorteil von Kinderkrippen, denkt Kristel. Und das Vorbild des Bruders natürlich. Stolz kniet Marcus auf dem großen Stuhl und löffelt seinen Joghurt.
„Noch was!“, sagt er, als er fast fertig ist.
Kristel ignoriert ihn und isst weiter. Sie hangelt sich von Etappe zu Etappe. Nur so schafft sie es, den Tag zu überstehen.
Leider schläft Marcus mittags nicht mehr. Aber Kristel hat ihn überreden können, mit ihr gemeinsam eine Kassette anzuhören. Das hat auch ihr gut getan. Mal nicht Bob der Baumeister vorlesen.
Sie muss sich umstellen, denkt sie. Aber eigentlich will sie das nicht. Eigentlich will sie, dass die Kinder wieder zu Heike kommen. Zu ihrer Mutter, wo sie hingehören.
***
(Nicole)
Renate hat Essen gemacht. Es duftet nach Kurzgebratenem, als ich in meine Küche komme, und ich bin ihr dankbar. Sogar Getränke hat sie eingekauft, sehe ich, als ich im Kühlschrank nach dem Wasser greife.
Ich setze mich zu Joachim an den Tisch, der den Kopf hinter seiner Zeitung versteckt hält und denke nach.
Die Eltern des Motorradfahrers waren gekommen. Sie haben schweigend an seinem Bett gestanden und sind nach einer Stunde wieder gegangen.
Komische Leute, habe ich mir gedacht und mich hinterher für mein Urteil gerügt.
Was weiß man schon, wenn man die Dinge von außen betrachtet. Wer weiß schon, wer sich hinter der Zeitung verbirgt. Man kann schauen, wie die Zeitung heißt, aber sollte man sich eine Meinung über den Leser erlauben?
Joachim liest die Süddeutsche. Weil Ralph die Süddeutsche abonniert hat und es sein tägliches Ritual war, nach dem Abendessen Zeitung zu lesen.
Als ich ausgetrunken habe, stehe ich auf und gehe zu Renate hinüber. Ich streiche ihr über den Rücken und frage sie, ob ich was helfen kann. Sie verneint. Also schaue ich, ob meine Kinder zu Hause sind und habe zumindest bei Raphael Glück.
Er sitzt in seinem Zimmer und liest.
„Das Essen ist gleich fertig“, sage ich zu ihm und als ich merke, dass er nicht reagiert, wiederhole ich meinen Satz, indem ich ihm einen Kopfhörerstöpsel aus dem Ohr ziehe.
„Lass das!“ Er erschreckt sich überschwänglich und ich merke, dass etwas nicht stimmt.
„Kannst du bei dieser Musik lesen?“, frage ich, überrascht über den Sound.
Keine Reaktion.
Soll ich so kurz vor dem Abendessen ein Gespräch mit ihm anfangen? Ich brauche nicht lange zu überlegen, denn ich höre die Wohnungstür ins Schloss fallen. Susi ist heimgekommen.
Da wird sich der Opa aber freuen, denke ich und laufe in
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