Zwei Wochen danach (German Edition)
lächele sie an, obwohl sie schläft.
Dann fallen mir die Augen zu.
***
Donnerstag
(Nicole)
Ich fahre gleich morgens zu Ralph.
Meinem Schwiegervater, der mich beim Frühstück verwundert anschaut, sage ich: „Vielleicht haben sie die Medikamente doch schon früher abgesetzt. Man weiß nie!“
Verdattert schaut Joachim mich an. Dann widmet er sich wieder seiner Käsesemmel.
„Soll ich mitkommen?“, fragt Renate.
„Nein, nein, geht ihr mal am Nachmittag.
Da habe ich einen Arzttermin“, fällt mir noch ein. Damit es authentischer klingt. „Ich kann dann mit den Kindern am Abend noch mal zu Papa.“
Damit sind alle einverstanden. Nur ich bin noch nicht ganz zufrieden. „Es sollte ja immer jemand bei ihm sein, falls er aufwacht.“ Diesen Satz konnte ich mir nicht nehmen lassen. Ich blicke Joachim tief in die Augen und versuche, ausdruckslos auszusehen.
Er schaut mich an, als weiß er nicht, was er davon halten soll. Auch mein Sohn beobachtet mich skeptisch von der Seite.
Ich lasse sie mit all ihren Fragen allein am Frühstückstisch zurück und ziehe mich an.
Mit Raphael kann ich auch noch heute Abend reden.
***
(Kristel)
Kristel bückt sich zu Marcus hinunter, der noch schläft, und fühlt seine Stirn. Alles im grünen Bereich. Auch auf Pit legt sie prüfend ihre Hand und geht anschließend ins Bett zurück.
„Und?“, fragt Ludwig.
„Wir fahren! Heute nach dem Mittagessen!“ Kristel lächelt ihren Mann an und schmiegt sich in seinen Arm, den er ihr grinsend aufhält.
Sie weiß, was das bedeutet. Ludwig küsst sie zärtlich, doch zu mehr ist sie nicht bereit, denn sie konstruiert in Gedanken schon ihren ganzen Tag.
Die Sorgen um ihre Tochter haben sie gleich beim Aufwachen eingeholt und siehe da, ein Bein erhebt sich von der Matratze vor dem Bett in die Luft. Pit ist wach.
Es ist kurz vor neun. So lange haben sie noch nie geschlafen!
Enttäuscht dreht sich Ludwig auf die Seite.
Kristel lockt Pit zu ihnen ins Bett, damit er Marcus nicht aufweckt. Er kniet zwischen Kristel und Ludwig und schwingt, die Arme weit ausgebreitet, mit seinem Popo hoch und runter. Kristel wird nachher schnell einkaufen fahren und auch für Heike und Vroni etwas mitbringen.
Ludwig lässt sie am besten mit den Kindern zu Hause. Sie können Eisenbahn spielen. Umso schneller ist sie wieder da.
Marcus wird sich freuen, dass der Opa heute nicht arbeiten muss. Gut, dass es ihm besser geht, denkt Kristel. Ein bisschen Temperatur hat er immer noch, aber die Nacht ist ruhig verlaufen.
Gestern Abend beim Einschlafen hat Kristel ihm noch ins Ohr geflüstert, dass sie morgen zu Mama fahren.
Der Arzt scheint Recht zu haben.
Jetzt hat Kristel nur noch Angst davor, wie es heute Nachmittag wird.
Sie schnappt sich Pit, der immer noch hüpft, und bringt ihn zum Kreischen. Dann wird ihr bewusst, dass sie damit Marcus geweckt hat. Als sie zu ihm hinunterschaut, blinzelt er mit den Augen.
„Morgen, mein Schatz“, sagt Kristel zu ihm.
Ludwig dreht sich mürrisch wieder um, als er merkt, dass damit nicht er gemeint ist.
***
(Heike)
Marcus hat hohes Fieber gehabt.
Wenn etwas passiert wäre!
Heike stellt Veronika zur Rede. Vielleicht hat sie es doch schon gestern gewusst und es ihr nur nicht gesagt. Dass würde sie ihr zutrauen!
Doch Veronika beteuert, dass sie es eben erst von Kristel erfahren hat. Im Gegenteil. Garantiert hätte sie es Heike gesagt. Vielleicht hätte Heikes Verstand endlich wieder eingesetzt in der Sorge um ihren Sohn!
Heike spürt die vorwurfsvollen Blicke ihrer Schwägerin.
„Deine Kinder leiden! Deshalb habe ich deine Mutter auch gebeten, heute mit ihnen herzukommen!“
Heike weiß nicht, was sie dazu sagen soll. Die Neuigkeit schockiert sie.
Sie hat gehofft, dass die Jungen bis zur Beerdigung bei ihren Eltern bleiben könnten.
Aber Marcus!
Sie geht nach oben ins Schlafzimmer. Sie möchte allein sein.
Das Problem Kinder schiebt sie davon. Sie muss an Sebastian denken und an die Beerdigung, vor der sie sich noch immer fürchtet. Heike denkt, dass sie seinen Anblick nicht ertragen wird. Sie möchte Sebastian eigentlich so in Erinnerung behalten, wie er ins Flugzeug gestiegen ist. Sein Lachen. Seine Freude. Sein Stolz.
Ganz deutlich sieht sie ihren Mann vor sich. Sie fragt sich, ob dieses Bild von ihm irgendwann verblassen wird und zweifelt im selben Augenblick daran.
Der Gedanke, sie könnte ihren Mann vergessen, tut weh in ihrem Hals. Vielleicht auch, weil sie an ihre Söhne
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