Zwei Wochen danach (German Edition)
her.
„Es tut mir leid, Frau Karstenberger.“ Die Worte von Dr. Schwarzer liegen mir immer noch in den Ohren.
„Das künstliche Koma ist aufgehoben. Aber manchmal kommt es vor, dass Patienten in einem echten Koma verbleiben und nicht erweckbar sind!“
Mehr hat er nicht gesagt. Er hat mir die Hand gegeben und ist schweigend aus dem Zimmer gegangen.
Und ich stand da, in seinem Büro, inmitten von Bildern, die von der Wand starrten, und wusste nicht, was ich tun sollte.
Aber jetzt weiß ich es. Ich muss mir über meine Gefühle klar werden. Ich habe Ralph angelogen, so wie er da liegt.
Ich habe so getan, als wäre ich seine treu sorgende Ehefrau, die nur darauf wartet, dass er aufwacht.
Aber dem ist nicht so. Im Gegenteil. Ich habe Angst, dass er aufwacht. Weil ich nicht weiß, wie es dann weitergehen soll.
Mit uns.
Weil ich spüre, dass ich zwar abhängig bin von ihm, ihn aber nicht liebe.
Nicht mehr.
Und jetzt sind die Gedanken so klar und laut in mir, dass ich Angst habe, er hört mich.
Ich setze mich an sein Bett, lege meinen Kopf und meine Arme auf seinen Beinen ab und weine.
Ich sehe in meiner Zukunft keinen Platz mehr für meinen Mann. Ich sehe mich, noch nicht einmal mehr vordergründig die Kinder. Sie werden erwachsen und brauchen mich nicht mehr lange. Dort sehe ich Ralph. Als Vater seiner Kinder.
Und ich glaube, er spürt das. Deshalb kehrt er nicht zurück.
***
(Joachim)
Ich wollte es nicht glauben. Die ganze Zeit, seitdem mir der Gedanke gekommen ist, habe ich es mir ausgeredet.
Jetzt sitze ich hier, muss meinen Kopf mit meinen Armen stützen und merke, dass meine Ahnung zur Gewissheit geworden ist. Nicht sie sind daran Schuld. Ich selbst bin es.
Renate hat Recht. Ich muss mich beim Oberarzt entschuldigen. Irgendwann.
Jetzt habe ich nicht die Kraft dazu.
Renate habe ich weggeschickt. Zu Nicole.
Unverständlich hat sie mich angesehen. „Ich komme gleich nach!“, habe ich zu ihr gesagt, damit sie geht.
Dann ist sie gegangen.
Ralph wird nicht aufwachen. Er befindet sich in einem Konflikt.
Mein guter Sohn! Ich versuche, leise zu weinen, damit niemand auf mich aufmerksam wird.
Die Leute haben Gott sei Dank mit sich zu tun. Um sie herum nehmen sie kaum etwas wahr.
Wenn er doch nur aufwachen würde!
***
(Nicole)
Sonntagmittag sitzen wir zu Hause beim Essen. Susanne hat sich einen Rinderbraten gewünscht. Und obwohl sie im Moment so wenig isst, habe ich ihr den Gefallen getan. Ich habe vorgekocht.
Wir sitzen und gaukeln eine Harmonie vor, die es so nicht gibt. Jeder will etwas anderes. Susi ihren Vater wieder. Raphael, dass der Opa verschwindet, Renate, dass es ihrem Mann besser geht und Joachim, dass er hier bleiben kann.
Mein Wollen spielt da keine Rolle mehr.
Wir hatten vereinbart, dass Renate und Joachim so lange bleiben, bis Ralph aufwacht. Mit Sonntag haben wir gerechnet. Sie wollten dann nur noch alle ein bis zwei Tage ins Krankenhaus kommen.
Aber jetzt? Jetzt ist alles anders. Jetzt bekommt keiner seinen Wunsch erfüllt.
„Ich gehe morgen zur Beerdigung des Piloten“, sage ich, um den Geräuschen von Besteck und Porzellan noch ein drittes hinzuzufügen. „Möchte jemand von euch mitkommen?“
Keiner sagt etwas. Alle schauen mich erschrocken an, vor allem Joachim und die Kinder können damit wohl nichts anfangen.
Joachim hat das Besteck weggelegt und kaut langsam den letzten Bissen hinunter.
„Willst du zur Beerdigung von dem Piloten, der mit Papa zusammengestoßen ist?“, fragt Raphael noch einmal nach, um sicherzugehen, dass er richtig gehört hat.
„Ja“, sage ich kurz.
Dann setze ich nochmal an: „Anders gefragt, würdest du mitkommen, Renate?“
Diesmal ziele ich genau auf meine Schwiegermutter ab.
„Was willst du denn dort?“, fragt Joachim abwertend.
Ich sehe ihn an, antworte aber nicht. Stattdessen schaue ich wieder zu Renate. Ich merke, dass es ihr unangenehm ist. Ich glaube, sie ist noch zu sehr mit sich selbst beschäftigt.
Und der Zeitpunkt ist nicht gut gewählt. Ausgerechnet heute. Nach dem, was wir erfahren haben.
Ich weiß, dass es Renate nicht einerlei ist. Und würde es Ralph besser gehen, wäre sie sicher mitgekommen. Aber sie kann nicht von ihrem Sohn lassen. Als sie mir antwortet, weiß ich schon, dass ich allein hingehen werde.
***
(Joachim)
Was will sie dort? Was haben wir mit denen zu tun? Sie sollte sich lieber um ihren Mann kümmern. Der braucht sie jetzt.
Das macht mich wütend! Die ganze Woche ist sie
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