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Zweibeiner sehen dich an

Zweibeiner sehen dich an

Titel: Zweibeiner sehen dich an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon Knight
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die Leute in geisterhafter Stille. Dies mußte die Art sein, in der man sich einen Film ansah, vermutete der junge Mann. Es wurde nicht an die Wand projiziert, wie er es sich bisher vorgestellt hatte, sondern in mysteriöser, aufregender Weise war der Film plötzlich da, wenn man sich auf den Stuhl setzte. Er war sehr nervös, aber er beschloß, kein Feigling zu sein. Wieder setzte er sich und tastete nach den Armlehnen.
    Licht und Bewegung umgaben ihn. Er sah die oberen Hälften zweier gigantischer, menschlicher Wesen, die Gestalten eines Mannes und einer Frau, abgehoben von einem violetten Himmel, auf dem düster zwei Monde leuchteten. Der Wind wehte und die überlaute Stimme des Mannes schrie: „Gerda – du gehörst mir!“ Er sah ihr in die Augen und seine muskulösen Hände griffen nach ihren bloßen Armen, während sie erwider te: „Ich weiß, Friedrich.“
    Die Worte erklangen wie Bombendetonationen in den Ohren des jungen Mannes. Die gewaltigen Körper schienen in seiner absoluten Nähe zu agieren, nahe genug, um sie zu berühren. Sie leuchteten in einer unnatürlichen Farbe, diffus und klar zugleich. Glänzende Pastelltöne überstrahlten die Schatten der hereinbrechenden Dunkelheit, doch die schwarzen Konturen bildeten dazu einen eigenartigen Kontrast, der fast wie ein farbiger Holzschnitt wirkte. Die Bilder hatten Tie fe, aber keine Natürlichkeit und trotzdem waren sie unglaublicher als wirkliche Bilder.
    Der junge Mann bemerkte erschreckt, daß er die kal te Salzluft riechen konnte. Er kannte seltsamerweise auch die Beschaffenheit der Haut jener großen Frau: sie war weich und wächsern, wie eine weiche, künstliche Frucht. Und er war sich ihres langen, blonden Haares bewußt, das im Wind wehte. Und der glänzenden Steifheit der grünen Blätter im Hintergrund.
    „Gerda!“ brüllte der Mann.
    „Friedrich!“ trompetete sie traurig.
    Dann, ohne daß die beiden auch nur einen Muskel bewegten, verschwanden sie, als hätte sie ein unsichtbares Auto mit sich genommen. Und während sie, sich gegenseitig anstarrend, verschwanden, drängten sich die grünen Blätter in den Vordergrund, um ihren Platz einzunehmen. Der Himmel erweiterte sich, dann waren bereits drei Monde zu erkennen, die mit wahrnehmbaren Bewegungen an ihm entlangwanderten. Gleichzeitig begann es donnernd, zu regnen. In der Trockenheit sitzend, konnte der junge Mann die herabströmende Nässe fühlen, die über die Blätter dahinfloß. Es war lauwarm, in wilden Dissonanzen brach Musik über ihn herein. Blitze rissen den Himmel auseinander und es begann zu donnern.
    Das war genug. Der junge Mann stand auf. Er zitter te am ganzen Körper. Das Bild und der Ton verschwanden augenblicklich. Er fühlte sich allein in dem großen Theater, allein mit der Stille und den Leuten, die bewegungslos in der Dunkelheit saßen. Zitternd schritt er durch den Gang, und dann hinaus. Er war dankbar dafür, allein und ungestört in seiner eigenen Haut stecken zu können. Andererseits tat es ihm leid, daß er so schnell aufgegeben hatte, aber er tröstete sich damit, daß dies immerhin sein erster Versuch gewesen war. Vielleicht würde er sich noch daran gewöhnen.
    An einem Kiosk, der mitten auf der Straße stand, wurden Zeitungen und Zeitschriften aus einem metallenen Behälter verkauft. Daneben stand ein schmutziger kleiner Junge mit einer alten Frau, die ein tragbares Fernsehgerät bei sich trug. Auf dem Bildschirm sang ein bekannter Interpret ein Lied und der Junge sang mit, mehr schlecht als recht, in einem angestrengten Sopran. Weiter unten auf der Straße taumelten zwei Betrunkene umher, die sich gegenseitig stützten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Eine stark geschminkte Frau kicherte über das sich bietende Bild, aber die Männer nahmen keine Notiz von ihr. Drei finster blickende junge Männer kamen nebeneinander die Straße hinunter. Sie waren gleich angezogen und tru gen lange, schwarze Mäntel und ölige Stirnlocken.
    Große, beleuchtete Anzeigentafeln blinkten auf den Gebäuden: THYSSEN, KRUPP, TELEFUNKEN, HENKEL. Der junge Mann bewegte sich durch die Menge, lauschte den Stimmen und der Musik, die aus offenen Toreinfahrten kam, musterte Gesichter und blieb hin und wieder stehen, um die glitzernden Auslagen der Schaufenster zu bewundern. Nach einer gewissen Zeit stieß er auf ein riesiges Unternehmen, das einen großen Platz für sich allein in Anspruch nahm. Er sah die hellerleuchteten Schaufenster und starrte auf eine Unmenge von

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