Zweibeiner sehen dich an
Bezahlen tat er immer, und was das Gitter anging, so ließ es sich eben nicht vermeiden, jeden Abend hinaufzuklettern, denn es gab keinen anderen Weg nach oben. Zweimal war er bisher dabei erwischt worden und die Männer waren herbeigeströmt und hatten ihre Klingeln schrillen lassen, aber keiner von ihnen schaffte es, ihm nachzuklettern, was ihm seine Furcht nahm, wenngleich er es nicht allzusehr schätzte, wenn sich einer der Uniformierten in seiner Nähe aufhielt.
Es gab immer noch einiges Unbehagen in seinem neuen Körper, was ihm ständige Sorgen bereitete und ihn gelegentlich intensiv in Angst versetzte. Da war irgend etwas, was seinem Mund oder seinem Hals fehl te. Er versuchte, das fehlende Element durch das Ausprobieren verschiedener Nahrungsmittel zu ersetzen, was ihm auch zeitweise gelang. Später jedoch kam das Gefühl wieder zurück.
Dunkles, lockiges Haar wuchs auf seinen Wangen und seinem Kinn und verursachte ein juckendes Gefühl. Aber er kam jetzt besser zurecht als am Anfang. Er hatte herausgefunden, daß seine Kleider und Schuhe sich am nächsten Morgen viel besser ertragen ließen, wenn er sie vor dem Schlafengehen auszog. Als seine Unterwäsche schmutzig geworden war, hatte er sich aus einem Verkaufsautomaten neue zugelegt und dabei hatte er festgestellt, daß der weiche, saubere Stoff ein angenehmeres Gefühl auf seiner nackten Haut erzeugte.
Als er zu dem Gang zurückkehrte, in dem der Schinken lag, entdeckte er einen rotgesichtigen Mann, der ihn mißtrauisch ansah, sich dann umwandte und etwas in das Ohr eines schlanken, blassen Mannes flüsterte.
Nervosität erfaßte den jungen Mann. Der Grobgesichtige kam ihm bekannt vor. War er vielleicht derselbe, der –? Er sah zurück. Beide, der grobgesichtige Mann und sein Begleiter, waren nun verschwunden. Erleichtert, aber sich immer noch nicht ganz wohlfühlend, versteckte sich der junge Mann in einer Ecke vor der Frischgemüseabteilung am Ende des Ganges. Als er um einen Winkel sah, stand der grobgesichtige Mann direkt vor ihm.
„Hören Sie mal zu“, sagte er kalt. „Mein Freund hat Ihnen ein geschäftliches Angebot zu machen. Kommen Sie mit und sprechen Sie mit ihm darüber. Was halten Sie davon?“ Der junge Mann blickte sich um. Der Bleiche, über dessen Lippen und Kinn Haare wuchsen, hatte sich hinter ihn gestellt und grinste. „Sie brauchen keine Angst zu haben“, sagte der blasse Mann mit einem undefinierbaren Unterton in der Stimme. „Wir haben mit der Polizei nichts zu schaffen, kapiert? – Kommen Sie mit, ich möchte mich mit Ihnen unterhalten. Sie möchten doch sicher etwas Geld verdienen, oder nicht?“
„Geld?“ fragte der junge Mann.
„Gutes Geld“, erwiderte der grobgesichtige Mann und klimperte mit einigen Münzen, die er in der linken Hand hielt. „Ein gutaussehender junger Mann wie Sie kann sein Glück machen, daran gibt es nichts zu zweifeln.“ Er ergriff den linken Arm des jungen Mannes, der Bleiche nahm seinen rechten. Sie führten ihn in Richtung Ausgang, wo der junge Mann sich leicht zu sträuben begann, aber die Männer ließen nicht locker.
„Nicht das, was Sie denken“, murmelte der Grobgesichtige. „Wir gehören nicht zur Polizei. – Aber wenn Sie ungehorsam sind, können Sie sehr schnell dort landen, verstanden?“
Sie führten ihn zu einem kleinen Straßencafe und ließen sich an einem kleinen Tisch nieder, den jungen Mann zwischen sich plazierend. Der Bleiche, der sagte, daß sein Name Horst sei, hatte ein fuchsähnliches, schmales Gesicht und große, grünschimmernde Augen. Der andere Mann hieß Pullach. Als sie sich hingesetzt hatten, begann er nervös herumzurutschen.
„Ich muß verduften“, sagte er, „Wenn du die Sache allein durchziehen kannst, Horst …“
„Bleib’ hier, bis Trudl kommt“, erwiderte der Blei che. Er bediente einen Knopf auf dem Tisch, dann legte er seinen Arm um die Schulter des jungen Mannes. „Nun zu dir“, sagte er, „Wer hat dir beigebracht, so zu klet tern … äh … wie war doch dein Name?“
„Martin Naumchik heiße ich“, erwiderte der junge Mann nervös. Er fühlte sich unbehaglich zwischen den Körpern der beiden Männer und mit Horsts Arm auf seiner Schulter.
„Du kannst mich ruhig duzen“, sagte Horst und klopfte ihm auf den Arm. „Wir sind doch alle Freunde, oder nicht? – Sag’ mal, Martin: Wie würde es dir gefallen, jeden Abend fünfhundert Mark zu verdienen?“
„Das würde mir sehr gefallen.“ Horst musterte ihn starr und sagte
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