Zweibeiner sehen dich an
erreichen. Das ist der Grund, mein lieber Umrath, weshalb ich fünf Jahre lang Briefe schrieb und außerdem noch zwei Altar-Vögel aus dem System Altair verkaufte. Wieviel Geld genau ich in diese Sache bisher investiert habe, möchte ich lieber nicht erwähnen …“ Er blickte Neumann an, der ein wenig lächelte. „Was unseren wunderschönen neuen Zweifüßler Fritz angeht: er ist hier, es geht ihm gut und er ist ein ausgewachsenes, männliches Wesen. Außerdem haben wir unseren weiblichen Zweifüßler Emma. Kein Zoo auf der ganzen Welt hat mehr Zweifüßler. – Lachen Sie mich ruhig aus, wenn Sie wollen, aber es wird Grück sein; Grück und der Berliner Zoo, an den man sich erinnert, wenn man davon spricht, wo sich die ersten Zweifüßler in Gefangenschaft vermehrten.“
„Nach allem, was ich gehört habe, soll das unmöglich sein“, warf Umrath ein. „Das ist mir bekannt“, rief Grück erheitert. „Niemals haben sich Zweifüßler in der Gefangenschaft vermehrt, nicht einmal auf Brechts Planet! Und warum nicht? Weil bisher niemand die wichtigsten ihrer natürlichen Umweltbedingungen erfolgreich reproduziert hat.“
„Und um welche Bedingungen handelt es sich dabei?“ fragte Neumann höflich, seine Müdigkeit verbergend. „Das werden wir schon herausfinden“, antwortete Grück. „Vertrauen Sie mir, meine Herren. Ich habe eine Menge Schriften über Brechts Planet abgefaßt – und besonders über die Zweifüßler. Es gibt keine größe re Sammlung im Galacticum. Nicht einmal im BerlinerArchiv.“ Er strahlte. „Unter uns gesagt, meine Herren: Purser Bang hat Verbindungen zu einer Gruppe auf Brechts Planet, die imstande ist, physiologische Studi en über unsere Zweifüßler zu betreiben. Sie können sich darauf verlassen, daß sie uns wertvolle Informationen beschaffen werden durch unseren Freund Bang!“ Er klopfte dem Raumfahrer freundschaftlich auf den Arm. Bang lächelte und aß weiter.
„Na dann“, sagte Umrath, „trinken wir auf die Zweifüßler!“ Er hob sein Glas. Grück, Prinz, Rausch und Bang tranken; Neumann hob sein Glas nur etwas an und setzte es wieder ab. Wenzel saß hochgereckt da und schnippelte weiter an seinem grünen Fleisch.
„Trotzdem“, meinte Neumann, „scheint mir, daß Fritz das letzte Wort noch nicht gesprochen hat.“
V
Am Vormittag des vierten Tages, den er im Warenhaus verbracht hatte, kletterte der junge Mann – wie gewöhnlich – sehr früh hinunter, weil um diese Zeit das Gebäude noch fast leer war. Gelegentlich hatte ihn irgendjemand komisch angesehen, als er durch die Gänge schritt, aber niemand hatte ihn bisher aufgehalten. Die Büroangestellten arbeiteten fleißig hinter ihren Glaswänden, registrierten neue Aufträge, öffneten und schlossen ihre Metalltüren; die Putzfrauen schoben ihre heulenden Maschinen die Korridore entlang und von weither erklangen Stimmen.
Der junge Mann stillte seinen Durst an dem Springbrunnen zwischen der Gemüse- und der Kunstabteilung, ging dann hinunter in die Gemüseabteilung mit den Bergen von Früchten und stillte seinen Hunger. Um diese Zeit waren die Außentüren bereits geöffnet, die Musik spielte schon und die Menschen strömten die Gänge entlang. Der junge Mann gab siebzig Pfennig aus für einen durchsichtigen Beutel mit Orangen und eine Packung Bananen. Während er abwechselnd Bananen aß und Orangen aussaugte, wanderte er durch das Kaufhaus, wobei er die Schalen der aufgegessenen Früchte in die leere Tüte zurücksteckte, die er unter dem Arm trug. Einmal, am Abend seines zweiten Tages war er hinaus auf die Straße gegangen, aber die Menschenmenge, der Lärm und die Lichter hatten ihn gestört und in das Kaufhaus zurückgetrieben. Auch hatte er Angst davor, ausgeschlossen zu werden, wenn er zu spät zurückkehrte. Drinnen war alles viel besser. Hier gab es zwar auch Lärm, aber er war anders und nicht so nervtötend. Das Licht war gleichmäßig und kühl und verletzte nicht seine Augen. Außerdem fand er im Kaufhaus alles, was er brauchte: Essen, Trinken, Unterhaltung. Manchmal fühlte er sich auch verloren in der Riesigkeit der Hallen, aber irgendwie fand er immer seinen Weg anhand der gleitenden Farbpfeile an der Decke.
Immer wenn ein blauuniformierter Mann in der Nä he war, sah er starr geradeaus, bis er ihn passiert hatte. Er hatte gelernt, daß die Uniformierten ihn in Ruhe ließen, solange er nicht an dem Gitter hochkletterte oder irgendetwas aus einem Automaten nahm, ohne dafür zu bezahlen.
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