Zweibeiner sehen dich an
es noch dunkler als vorher. Er schob die Brille nach oben, auf seine Stirn und erinnerte sich, daß Horst ihm gesagt hatte, daß die Brille ihm nur etwas nützen würde, wenn er die Taschenlampe anschaltete. Aber er durfte sie nicht benutzen, ehe er nicht innerhalb des Hauses war. Er hielt die Lampe bereit und ging hinein. Die Finsternis war erdrückend. Er aktivierte die Taschenlampe, aber nichts geschah. Die Brille, natürlich. Als er sie wieder über die Augen schob, erschien der Raum wie in violettes Licht getaucht: Tische, große geschnitzte Schränke, eine Wand, die mit massiven Bilderrahmen bedeckt war, große und kleine … es mußten Hunderte sein. Das seltsame Licht ließ die ganze Szenerie unwirklich erscheinen wie eine schlecht entwickelte Farbfotografie. Er war erleichtert, als er eine Tür sah. Dahinter lag ein anderer Raum, der noch größer und noch prächtiger ausgestattet war. Auch hier hingen unzählige Bilder. Große Statuen, die in ihren Händen Lampen hielten. Tische, ein großes, gestreiftes Sofa in violett und schwarz, Cocktailsessel, Schränke …
Von der linken und rechten Wand des Raumes zweigten Türen ab. Die erste war verschlossen. Er blinkte mit der Lampe durch die zweite, geöffnete Tür und nahm erstaunt zur Kenntnis, daß dort zwei Menschen in einem Bett lagen. Das Bett hatte die Form eines Bootes, mit einem geschnitzten Vogelkopf am Bug und runden, gelben Schilden an den Seiten. Über dem Ganzen hing ein Baldachin, der ihn an ein Segel erinnerte. Die Person, die ihm am nächsten lag, schien die Frau zu sein, wie er an den Rundungen der Bett decke sah. Als er sich den Mann besah, setzte sich die ser zum Entsetzen des jungen Mannes plötzlich auf und starrte in seine Richtung.
Instinktiv löschte der junge Mann das Licht seiner Lampe, aber nun stand er in völliger Dunkelheit. Als er sich zurückziehen wollte, stolperte er und fiel der Länge nach zu Boden. Schreie ertönten. Der junge Mann geriet in Panik und begann zu laufen. Er schlug mit den Hüften irgendwo an, was ihn aus dem Gleichgewicht brachte. Er taumelte durch das Zimmer und fiel wieder über einen Gegenstand, was starken Lärm erzeugte. In der Dunkelheit des Nebenzimmers begann die Frau zu schreien. „Wer ist da?!“ schrie der Mann.
Die Tür! Wo ist die Tür? In der Aufregung bemerkte der junge Mann nicht, daß er seine Lampe verloren hatte. Mit ausgestreckten Armen um sich tastend, machte er einen weiteren Schritt, trat auf etwas, was unter seinem Fuß wegrollte und stürzte wieder. Er landete auf etwas Hölzernem, das krachend unter ihm zusammenbrach. „Hilfe, Meuchelmörder! Hilfe!“ schrie die Frau. Den jungen Mann, der halbbetäubt auf dem Boden lag, unfähig, sich zu erheben, überkam Angst. Er begann ebenfalls, Hilferufe auszustoßen.
Zwei gelbe Kreise erschienen in der Dunkelheit. Schritte bewegten sich auf ihn zu. Er rollte sich verzweifelt weiter, und es gelang ihm, wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Er sprang auf, gerade noch rechtzeitig, um einem harten Faustschlag halbwegs zu entkommen, der ihn zurückwarf. Wieder krachte es. Der junge Mann merkte plötzlich, daß er wieder sehen konnte. Jemand hatte die Beleuchtung des Zimmers eingeschaltet und ihm die Brille vom Kopf gerissen. Neben ihm stand ein schwarzhaariger Mann im Nacht hemd, vor den Trümmern eines zerschmetterten Ti sches. Seine Augen funkelten wütend.
„Sie haben … Sie …“ keuchte er schwer. Dann warf er sich auf den jungen Mann. Nebenan kreischte die Frau weiter. Sie rang eine Weile nach Atem, um dann noch lauter zu schreien als zuvor. Als der junge Mann sich unter dem Schwarzhaarigen wegrollte, konnte er durch die geöffnete Tür in das Nebenzimmer sehen, in dem die Frau in ihrem Bett saß, die Decke bis an den Hals hochgezogen, die Augen weit aufgerissen und schrie, was ihre Stimmbänder hergaben. Der Raum drehte sich. Der junge Mann fand sich auf dem Rücken liegend wieder, über ihm kniete der Schwarzhaarige und schrie „Jetzt habe ich dich!“ Dann begann er den Kopf des jungen Mannes mit beiden Händen auf den Fußboden zu schlagen. Jemand donnerte gegen die Tür und eine Stimme brüllte: „Was ist los? Öffne die Tür!“
Der Mann im Nachthemd ließ den Kopf des jungen Mannes los. „Oh, mein Gott“, sagte er, sprang auf. Die Frau im Nebenzimmer stieß noch einen Schrei aus und verstummte dann. Das Hämmern an der Tür wurde fortgesetzt, unterbrochen von erregten Stimmen. Der Mann im Nachthemd machte einen
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