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Zweibeiner sehen dich an

Zweibeiner sehen dich an

Titel: Zweibeiner sehen dich an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon Knight
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Zeitlang nichts.
    Der junge Mann war verwirrt. Warum war er hier? Über was hatten der Richter und der andere Mann hinter dem langen Tisch sich flüsternd unterhalten? Und weshalb hatte ihn der Richter so verärgert angeschaut, als er in seine Richtung gesehen hatte? Sein derzeitiger Aufenthaltsort war besser als das Gefängnis. Er hatte keinen Grund, sich zu beklagen – aber, wenn er nicht krank war, warum war er dann hier?
    Draußen klingelte es. Ab und zu gingen Leute an seiner Tür vorbei. Sie gingen schnell und auf leisen Sohlen, die manchmal auf dem Boden quietschten. Die Schwester kam wieder herein.
    „Sie haben Glück“, sagte sie zu dem jungen Mann. „Dr. Hölderlin ist der Ansicht, daß Sie heute Dr. Böh mer vorgestellt werden können.“ Sie entfernte die Kabel mit schnellen Bewegungen und half ihm aufzustehen. „Lassen Sie den Doktor nicht warten.“
    Sie faßte seinen Ellenbogen und führte ihn durch eine Halle, in der Mitteilungen mit farbiger Leuchtschrift an den Wänden erschienen, zu einem Büro, in dem ein Mann mit buschigem Schnauzbart auf ihn wartete. Das Namensschild auf seinem Schreibtisch wies ihn als ‚Dr. Böhmer’ aus.
    Böhmer musterte ihn prüfend, dann nahm er einen altmodischen Füllfederhalter. „Bitte, setzen Sie sich doch.“ Er machte Notizen auf einem Block.
    „Na, dann wollen wir mal anfangen. Wie ist Ihr Name?“ Der junge Mann zögerte. Er war sicher, daß, wenn er nun Fritz sagte, man ihn mit Sicherheit in den Zoo zurückbringen würde.
    „Martin Naumchik, Herr Doktor“, antwortete er.
    „Beruf?“
    „Journalist.“ Böhmer nickte langsam und schrieb weiter.
    „Ihre Adresse?“
    „Gastnerstraße.“
    „Und die Hausnummer?“ Der junge Mann versuch te, sich daran zu erinnern, aber es fiel ihm nicht ein. Böh mer verzog das Gesicht. „Sie sind ein wenig durcheinander. Wann waren Sie das letzte Mal in Ihrer Wohnung in der Gastnerstraße?“
    Der junge Mann rutschte unruhig hin und her. „Vor drei oder vier Tagen, glaube ich.“
    „Sie erinnern sich wirklich nicht daran.“ Böhmer begann seinen Block vollzukritzeln. Der junge Mann beobachtete seine Tätigkeit besorgt.
    „Naja“, machte Böhmer, „Können Sie mir vielleicht sagen, welches Datum wir heute schreiben?“
    „Den 10. Juni haben wir, Herr Doktor … oder auch vielleicht den elften?“ Böhmer runzelte die Stirn. „Sehr schön. Und wer ist der augenblickliche Bundestagspräsident? Können Sie mir das sagen?“
    „Dr. Wollschon … ist das richtig?“
    „Nicht ganz. Er war es im letzten Jahr.“ Böhmer schrieb weiter. Dann räusperte er sich, verschränkte die Arme und stützte sich auf die Schreibtischplatte, wobei er den Federhalter wie eine Zigarre hielt.
    „Erinnern Sie sich daran, im Kaufhaus gewesen zu sein?“
    „Natürlich!“
    „Sie haben sich auf dem Speicher versteckt und sind nur während des Tages heruntergekommen?“
    „Ja, Herr Doktor.“
    „Weshalb taten Sie das?“ Der junge Mann zögerte. Er setzte mehrmals zum Sprechen an, sagte aber nichts.
    „Erzählen Sie mir, Herr Naumchik. – Warum taten Sie das?“
    „Ich wußte nicht, wo ich sonst hingehen sollte“, erwiderte der junge Mann hilflos. Böhmer machte weiterhin Notizen und drückte den Klingelknopf am Rande seines Tisches, ohne hinzusehen. „Ich verstehe“, sagte er dann. „Morgen kommen Sie um die gleiche Zeit wieder zu mir, Herr Naumchik. Einverstanden?“
    „Einverstanden.“ Die Krankenschwester öffnete die Tür. Er ging folgsam hinaus.
    „Heute nacht brauchen wir die Kabel nicht“, erklärte sie ihm schroff, als sie wieder in seinem Zimmer waren. Sie fing an, die Bänder aufzuwickeln.
    „Legen Sie sich jetzt hin und ruhen Sie sich aus.“
    „Warum bin ich hier, Schwester? Bin ich krank?“ fragte der junge Mann. Sie drehte sich um und sah ihn kurz an. „Natürlich sind Sie krank. Aber es geht Ihnen bereits besser. Ruhen Sie sich erst mal aus.“ Sie watschelte hinaus.
    Viel später gab es Abendbrot – und dann die Tablet ten, die man schlucken mußte. Als er wieder aufwach te, war es Morgen.
    „Eine gute Nachricht für Sie!“ rief die Krankenschwester, als sie hereinkam, um seine Kissen aufzuschütteln. „Es ist Besuch für Sie da.“
    „Für mich?“ Sein Herz begann schneller zu schla gen. Er konnte sich nicht vorstellen, wer das sein könnte. Vielleicht jemand vom Zoo? „Eine junge Dame“, er widerte sie schelmisch.
    „Wie heißt sie denn? – Ich kenne keine junge Dame.“
    „Alles zu

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