Zweifel in Worten
erneut und beschloss, nun den Tisch, den Sonnenschirm und seine Sonnenliege zu holen. Beinahe feierlich packte er die Auflage der Liege aus und befestigte sie, um zum ersten Mal probezuliegen.
Herrlich! Genau so hatte er es sich vorgestellt. Jetzt fehlten nur noch ein Buch, ein Eistee und seine Sonnenbrille.
Kurze Hose und T-Shirt trug er bereits und ein paar Minuten später lag er lang ausgestreckt in seiner neuen Wohlfühloase.
Die Markise, die über der bodenlangen Fensterfront des Wohnzimmers angebracht war, würde er heute nicht brauchen. Der Sonnenschirm reichte völlig aus.
Lesen konnte er dennoch nicht in Ruhe. Immer wieder schweiften seine Gedanken zu der Begegnung in der Bücherei. War dieser Sam Midhen vielleicht wirklich der Sam aus den Mails und der Annonce?
Er seufzte und schaltete den PC ein, dann machte er sich die zweite Hälfte seines Salates mit Putenbruststreifen und kehrte mit der knackigen Mahlzeit an den PC zurück. Eigentlich wollte er lieber draußen essen, in der Sonne, aber er wusste, dass er es nicht schaffen würde, erst in Ruhe zu essen und danach seiner Ungewissheit ein Ende zu bereiten.
Er rief sein Postfach auf und sah auf die Emailadresse von Gabriel und Sam.
Tatsache. S_Mid . Das war wohl eindeutig ... Also hatte er ihn heute in der Bibliothek gesucht und durch den Personalengpass auch prompt gefunden. Na bravo. Was sollte denn das?
Frank spürte ein vages Gefühl von Verrat, so unlogisch das auch sein mochte. Letzten Endes konnte Sam tun, was immer er wollte, trotzdem fühlte Frank sich schlicht verarscht. Denn er war sich sicher, dass Sam genau gewusst hatte, mit wem er beinahe zwei Stunden lang in der Bibliothek unterwegs gewesen war. Und er hatte kein Wort gesagt, nichts angedeutet, dass sie sich kennen könnten, wenn auch nur virtuell.
Bevor er es richtig begriff, schob er seine Salatschüssel beiseite und klickte auf ‚antworten‘. Bisher hatte er nichts mehr schreiben wollen, aber diese unverständliche Handlungsweise von Sam ließ ihn in einem solchen Gefühlschaos zurück, dass er einfach schreiben musste.
Hallo zum letzten Mal.
Ich habe eben spontan entschieden, dass ich es nicht leiden kann, ausspioniert und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen ausgehorcht zu werden. Auf derartige Spielchen lege ich keinen Wert und ehrlich gesagt, wäre ich fast auf diese verständnisvolle Masche in Eurer letzten Nachricht hereingefallen. Das ist jetzt vorbei, sucht Euch jemand anderen zum Verarschen oder lasst es besser gleich ganz sein.
Ich frage mich, wie ich überhaupt auf die Idee kommen konnte, auf die Annonce zu antworten. Und nein, ich lege keinen Wert auf weiteren Kontakt, geschweige denn auf noch (!!) ein Treffen.
Dieses Verhalten war infantil, ungerecht, hat mich in ein informatives Missverhältnis verdammt und dort will ich mich einfach nicht sehen.
Ich hoffe dennoch, dass Ihr als Paar Euch weiterhin so nahe steht, wie Sams entrückter Gesichtsausdruck bei seiner Schwärmerei über Gabriels Kornblumenaugen angedeutet hat. Das freut mich wirklich.
Mehr werde ich zu der ganzen Sache nicht mehr sagen.
Habt noch ein schönes Leben,
Frank
Er lehnte sich zurück und sah noch einmal über den Text und schickte er die Mail ab.
Damit war das Experiment Onlinesuche nach Kontakten ein für alle Mal erledigt. Er war wütend. Auf Sam, weil er keinen Ton gesagt hatte, auf sich selbst, weil er auf die Nettigkeit der Mails hereingefallen war, auf das Internet, weil es diese unpersönlichen und doch nachvollziehbaren Kontakte ermöglichte und auf das Leben, weil es ihn für die Gier seiner jüngeren Jahre so hart bestraft hatte.
Frank fuhr den PC herunter und ging mit seinem Salat hinaus. Abschalten, entspannen, wohlfühlen, am besten alles gleichzeitig. Und zwar sofort!
Der Salat schmeckte nicht mehr, war so fade wie der Nachgeschmack, den diese kurze Email-Episode hinterlassen hatte.
Frank seufzte und stellte die Schüssel weg, dann verzog er sich viel zu früh ins Bett und suchte verzweifelt den Knopf, der sein rotierendes Gehirn ausschalten konnte.
Die Alpträume, die ihn heimsuchten, verwandelten alle vorherigen in Lächerlichkeiten.
Mit einem gellenden Schrei aus seiner eigenen Kehle wachte er auf, sein Herz schlug irgendwo im Hals und schnürte ihm die Luft ab, kalter Schweiß hatte das Bettzeug durchtränkt und klebte noch an seiner körperweiten Gänsehaut.
„Verdammte Scheiße!“, fluchte er haltlos und wischte sich über die Augen. Er wusste, in dieser
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