Zweifel in Worten
Nacht würde er nicht mehr schlafen können. Aber was sollte er tun? Lesen? Am besten den Gay-Roman, an dem er seit gestern Abend las? Um noch ein wenig Salz in seine Wunde – andere würden es vermutlich ‚Seele‘ nennen – zu streuen?
Undenkbar!
Er ging duschen, um den Schweiß, der unangenehm auf seiner Haut spannte, abzuwaschen und zog sich frische Shorts an. Ihm war unerträglich heiß, draußen stand die Luft still, deshalb setzte er sich an den PC und surfte sinnlos durch das Internet.
Wie immer loggte sich auch sein Mailprogramm ein und er wollte es sofort wieder schließen, als sein Blick für eine halbe Sekunde oder weniger auf der neuen Email ruhte.
Gabriel und Sam. Wollte er das wirklich lesen? Wozu noch? Er hatte seinen Standpunkt doch hoffentlich deutlich genug gemacht. Es widerstrebte ihm, bösartig zu werden oder gar in eine gewisse Fäkalsprache zu verfallen, nur um endlich Ruhe zu bekommen.
Vielleicht sollte er die Mailadresse der zwei auf seine Ignore -Liste setzen. Er klickte die Nachricht an. Frank wollte sie lesen und dann alles, was mit der Annonce zu tun hatte, aus seinem Postfach verbannen.
Hallo Frank, Sam hier.
Gabriel sitzt hinter mir, aber er hat mir auf seine liebenswürdige Art mitgeteilt, dass ich diese Suppe selbst und allein auslöffeln muss. Und er hat immer recht, also meistens zumindest.
Das ist aber nicht der Grund, weshalb ich noch einmal schreibe.
Ich möchte Dir sagen, dass es mir sehr leidtut, Dir vorhin in der Bücherei nicht gleich gesagt zu haben, wer ich bin. Ich war feige. Hatte einfach Angst, dass Du sauer werden und Dich in die Ecke gedrängt fühlen könntest ...
Und wenn ich es genau bedenke, hast Du das sogar ganz kurz – und das, ohne dass Du wusstest, wer ich war. Du warst beinahe panisch und ich habe mich in dem Moment wie ein Schwerverbrecher gefühlt. Dabei hatte und habe ich überhaupt nicht vor, Dir irgendetwas anzutun! Das hat mehrere Gründe, aber ebenso wie ich Dir die Fragen nicht stellen wollte, die mir nach diesem ‚Zwischenfall‘ unter den Nägeln brannten, werde ich Dir auch diese nicht näher erläutern können.
Nicht in einer Email, nicht ohne Dich dabei anzusehen. Vorzugsweise ohne dabei in deine Komfortzone einzudringen.
Es tut mir wirklich und aufrichtig leid, dass Du Dich nun meiner Ungeduld wegen hintergangen und ausspioniert fühlst, das war nie meine Absicht!
Mir liegt nichts daran, Dich zu verletzen oder auch nur zu verärgern. Ich bin einfach ein impulsiver Mensch. Wenn ich eine spontane Idee habe, muss ich sie umsetzen. Und ich brauchte, das muss ich zu meiner Verteidigung noch erwähnen, tatsächlich neuen Lesestoff. Ich habe vorhin im Garten sogar schon aus einem der Bücher vorgelesen, während Gabriel Blumen gequält hat. ;)
Au, jetzt hab ich mir einen Knuff eingefangen!
Bitte, bitte, sei mir deshalb nicht böse ja? Spontaneität und Mut gehen nicht immer Hand in Hand. Auch wenn man das bei einem Bodyguard vermuten müsste.
Ich war so neugierig und konnte mein Glück kaum fassen, als ausgerechnet Du meine Anmeldung bearbeitet hast!
Gabriel verbietet mir grade, Dich noch weiter zu verschrecken, indem ich Dir sage, wie toll ich Dich heute Morgen fand. Aber ich tu’s trotzdem, denn Ehrlichkeit kannst Du mir kaum negativ auslegen, nicht wahr?
Ja, ich hab Scheiß gebaut, und das habe ich wirklich nicht gewollt, nicht so!
Ich würde das wirklich gern wiedergutmachen. Es wäre toll, wenn Du mir dazu eine Gelegenheit gibst. Meinst Du, Du kannst mir das ausnahmsweise noch mal verzeihen?
Ich habe Dich zwei Stunden lang erlebt und beobachtet, ich glaube behaupten zu können, dass Du mir zu sympathisch bist, als dass ich Deine Mail von heute Nachmittag einfach so stehenlassen kann.
Hey, gib Dir einen Ruck, ja?
Sam
Frank las die Email mehrmals. Dann sah er, dass ganz unten nach etlichen Leerzeilen noch ein Post Skriptum vermerkt war.
P.S.: Wenn Du magst, ruf einfach mal an, ja? Egal zu welcher Uhrzeit, und wenn es nur ist, um mich für mein idiotisches Verhalten anzubrüllen.
Dazu eine Telefonnummer hier in Berlin.
Sollte er? Frank sah auf die Uhr am Bildschirmrand. Kurz nach Mitternacht. Hatten die beiden nicht einmal geschrieben, dass sie immer recht lange wach blieben?
Er griff neben dem Monitor nach seinem Festnetztelefon und nahm das Mobilteil, um die Nummer einzutippen. Frank stellte den Lautsprecher an und lauschte dem Tuten.
„Midhen?“
„Frank hier“, brummte er in Richtung Gerät, während er auf
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