Zweifel in Worten
wir es einfach tun. Also, es ihm beibringen. Du hast doch seine Adresse längst, oder nicht?“
Sam nickte widerwillig. „Ja, ich hab deine Datenbank benutzt ... Sei mir nicht böse, aber ich wollte doch nicht in die falsche Bibliotheksfiliale rennen ...“ Er hoffte, dass er so schuldbewusst klang, wie er sich fühlte.
„Hey, du konntest doch nicht wissen, dass es so schlimm ist!“, tröstete Gabriel ihn und erhob sich. „Gib mir die Adresse, ich fahre hin und rede mit ihm.“
„Aber er kennt dich nicht! Er wird dich niemals reinlassen!“ Sam erschrak regelrecht über den Vorschlag.
„Hm, denkst du, du könntest ihn dazu bringen, mit dir mitzukommen, wenn du hinfährst?“
„Keine Ahnung, ich fürchte, er wird gar nicht auf die Klingel reagieren.“
„Aber versuchen sollten wir’s. Also, du oder ich?“
„Ich!“, sagte Sam fest und stand ebenfalls auf. Er umarmte seinen Liebsten und küsste ihn kurz. „Drück mir die Daumen, dass er wenigstens mit mir redet, ja? Ich fürchte nämlich, wenn er begreift, dass wir seine Adresse kennen, wird er sich erst recht verraten fühlen ...“
Gabriel nickte so wissend, dass Sam seufzte. „Ich weiß, deshalb wollte ich ja hingehen und ihm erklären, wer ich bin.“
Sam schüttelte den Kopf. „Ich verstehe deine Intention, aber da er dich nie gesehen hat ... Nein, es ist wirklich besser, wenn ich diese Suppe ganz auslöffle. Ich melde mich, wenn ich was Genaueres weiß, okay?“
Er verließ das Wohnzimmer und nahm sich seinen Autoschlüssel. Er würde beinahe eine halbe Stunde brauchen, um bei Frank anzukommen. Sollte er ihn von unterwegs vielleicht anrufen?
Bevor er darüber noch nachdenken konnte, steckte er sein Handy in die Freisprechanlage und wählte die Nummer an, die er vorhin vom Display abgelesen hatte.
Es dauerte lange, bis Frank den Anruf annahm. Sam hörte das Klicken, dann ein Atmen, etwas lauteres Schniefen und spürte, wie sich sein Herz ein wenig zusammenzog. Offenkundig ging es Frank so richtig mies und es war seine Schuld.
Leise sagte er: „Frank? Hörst du mich?“
„Ja.“ Das klang hervorgequetscht und mühsam.
„Es tut mir so leid, Frank ...“ Sam schluckte hart. Der Mann, den er am Vormittag erlebt hatte, wollte irgendwie nicht so ganz zu dem Bild passen, das er ihm jetzt vermittelte. „Darf ich zu dir kommen?“
„Wieso willst du das?“
„Weil es dir schlechtgeht und ich das Gefühl habe, es ist meine Schuld.“
„Wo bist du?“
„Ich sitze in meinem Wagen und bin unterwegs ... zu dir.“
Ein Schnauben drang aus dem Telefonlautsprecher. Damit hatte er gerechnet. „Ja, ich gebe zu, ich weiß, wo du wohnst. Aber wenn du jetzt sagst, dass ich nicht zu dir fahren soll, drehe ich um.“
Schweigen, noch ein Schniefen, dann klang Franks Stimme etwas fester: „Nein, es ist ... okay. Komm her.“
Sam konnte ein erleichtertes Ausatmen nicht unterdrücken und war sich sicher, dass Frank es hörte. „Danke.“
Frank schwieg wieder, aber Sam hörte ein Rascheln, dann ein Naseputzen und schließlich fließendes Wasser.
„Setzt du gerade Tee auf?“, fragte Sam vorsichtig.
„Ja. Tee beruhigt.“
Wieder verspürte Sam eine Welle von Zärtlichkeit durch seinen Körper rieseln. Er wollte Frank helfen, so gern! Wollte ihn fest in den Arm nehmen und ihm zeigen, dass nicht alle Männer solche Mistkerle waren, wie der, dem er seine Panikattacken zu verdanken hatte. Aber er schwieg. Zeigen und sagen waren eben zwei verschiedene Dinge und ihm war bewusst, dass alle Worte nicht das ausdrücken konnten, was eine freundschaftliche Umarmung bewirken dürfte.
„Wann bist du da?“, fragte Frank zaghaft.
„In drei Minuten, sagt das Navi.“
„Okay. Ich mache dann auf. Bis gleich.“ Klick, aufgelegt.
Sam seufzte erneut und parkte in einer Seitenstraße, dann nahm er sein Handy und ging zu dem dreistöckigen Wohnhaus. Hier also wohnte er, ganz oben, wenn er eine Dachterrasse hatte.
Wer hätte gedacht, dass er die neue Außenleseecke doch noch – und dann auch noch live – zu sehen bekommen würde?
Sam lächelte kurz vor sich hin, dann drückte er auf den Klingelknopf mit der Aufschrift F. Meißner und musste nicht lange warten, bis der Türsummer erklang und das Licht im Treppenhaus aufflammte.
Er nahm die dunkelgrau marmorierten Stufen im Laufschritt, immer zwei auf einmal, und stand nur wenig später vor der angelehnten Wohnungstür, neben der noch einmal F. Meißner auf einer weiteren Klingel stand.
Er wartete vor
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