Zweifel in Worten
kenne ... fängt es wieder an ...“
„Was meinst du?“, erkundigte sich Sam leise.
„Die Alpträume, die Schmerzen, die Flashbacks“, zählte Frank auf und seine Worte klangen emotionslos und kalt. So kalt, dass Gabriel schauderte und ihn dichter an sich zog. Seine Lippen streiften Frank Stirn.
„Wir würden dir so gern helfen, Liebling“, murmelte er und Franks Kopf ruckte hoch.
„Liebling?!“, echote er fassungslos. „Ich bin kein Liebling, Gabriel! Ich bin der kaputte Typ, der sich von einem homophoben Arzt noch Vorwürfe machen lassen durfte. Der lieber ohne Betäubung genäht werden wollte, als noch einmal die Kontrolle zu verlieren! Der lieber sterben wollte, als jemals wieder irgendwen an sich heranzulassen! Ich bin vieles, aber niemand, den man lieben sollte!“
Seine Stimme gewann an Volumen, ohne lauter zu werden. Gabriel tauschte einen Blick mit Sam.
„Aber der Engel hat dich gerade genauso genannt, wie ich dich heimlich auch nenne ... Das kann doch so falsch nicht sein?“
Frank warf ihm einen Blick zu. „Wieso fühle ich mich bei euch eigentlich immer so, als wäre ich ein kleines Kind, auf das ihr aufpassen wollt?“
Gabriel stutzte. „Das denkst du? Du bist der liebenswerte, wirklich hübsche Mann , auf den wir aufpassen wollen. Eben weil er uns wichtig ist!“
Franks Kopf fuhr wieder zu Gabriel herum. „So seht ihr mich?“
Er nickte und drückte ihn dichter an sich. „Wie sonst? Wenn wir Kinder wollten, hätten wir welche adoptiert, denkst du nicht?“
Zögernd nickte Frank. „Ich kann das alles trotzdem nicht. Nicht sofort. Erst muss ich ...“, er atmete tief durch, „wissen, was der Test ergibt.“
Gabriel erschrak. „Was für ein Test?“
„HIV.“
„Du denkst, die haben dich angesteckt?“
Frank fuhr sich noch einmal mit der Hand über die Augen. „Der eine war positiv ... und ich hab ...“, wieder pausierte er kurz, „mich lange nicht getraut ... Okay, wenn ich es euch erzähle, von Anfang bis Ende, versprecht ihr mir, mich nicht zu unterbrechen?“
Gabriel nickte, Sam ebenso. „Versprochen“, sagte sie wie aus einem Mund.
„Na gut ...“, begann Frank. „Es war letzten Sommer. Nein, eigentlich fing es viel eher an ...
Der Mann in seinem Arm erzählte zum ersten Mal wirklich ausführlich von seiner Vergangenheit.
Von seinen Eskapaden, zahlreichen One-Night-Stands, von seinem ausschließlichen Top-Sein. Er hatte seine Doktorarbeit eingereicht und sich einen schönen Sommer gegönnt. Die Bewerbungen liefen, aber er hatte es nicht eilig gehabt, eine feste Anstellung zu finden. Kurzum, Frank hatte sich alles gegönnt, was ein frisch fertig studierter schwuler Mann sich in Köln so gönnen konnte. Sex, Sonne, Oberflächlichkeiten.
Gabriel urteilte nicht darüber, stattdessen hörte er wie Sam schweigend zu und erfuhr innerhalb von Minuten so viel mehr über Franks altes Leben als in der gesamten Zeit zuvor.
Franks Eltern hatten ihm einen Urlaub geschenkt, zwei Wochen Teneriffa, danach hatte er zahlreiche Beachpartys, Strandbäder, Baggerseen und Freibäder, aber auch Clubs und Diskotheken unsicher gemacht. Er hatte gejagt, sich jede Nacht einen anderen zum Flachlegen gesucht.
Gabriel zweifelte nicht daran, dass Frank mit seinem unwiderstehlichen Körper durchaus eine beeindruckende Jagdquote gehabt hatte. Und er glaubte ihm ebenso, dass Frank dabei immer viel Wert auf Schutz gelegt hatte.
„Jedenfalls kam ich voll auf meine Kosten ... Bis ich ... Sie lauerten mir auf, mitten in der Nacht auf einer Beachparty. Niemand hörte mich und sie brachten mich weg. Ich ging immer allein los, deshalb vermisste mich auch niemand. Wenn man sich jede Nacht ’nen anderen Typen sucht, ist es sinnlos, sich eine Clique anzuschaffen.“ Er schauderte und Gabriel zog ihn schweigend weiter an sich, so dicht es nur ging. Was Frank sagte, klang so emotionslos, beinahe kalt. Nein, zwischenzeitlich hatte er sogar einen höhnischen Ton. So als müsste er sich und seine Unbesonnenheit noch im Nachhinein verspotten.
„Sie nahmen sich, was immer sie wollten und von dem einen hatte ich nach dem One-Night-Stand mit ihm erfahren, dass er positiv ist.“
Frank holte tief Luft und schwieg dennoch eine Weile. Gabriel streichelte ihn sanft und hielt ihn fest. Der dunkle Schopf lehnte an seiner Schulter.
„Ich weiß nicht, wie ich morgens nach Hause gekommen bin oder was danach war, aber die Schmerzen ließen einfach nicht nach …“
Sam ließ ein kleines Schnauben hören,
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