Zweifel in Worten
zwischen ihnen. Nun tat es Gabriel. Und das tat er ja wirklich.
Er und Frank hatten gemeinsame Stunden verbracht, hatten miteinander geschlafen. Aber diese Tatsache störte Sam nicht so sehr, wie er befürchtet hatte. Auch wenn er jetzt und hier quasi mit der Nase darauf gestoßen wurde.
„Ich ... brauche Zeit“, sagte Frank, löste sich aber nicht von Gabriel.
Sam schluckte. Das klang doch nicht halb so abwehrend, wie erwartet!
„Niemand zwingt dich zu irgendwas, Frank“, sagte er deshalb und erntete ein kleines Lächeln.
~*~
Frank hatte nicht alles gehört, das wollte er auch gar nicht, aber jetzt hier in Gabriels Umarmung, fühlte er sich wohl. Zu wohl, vermutlich. Das Ganze war einfach zu verrückt! Wie sollten sie zu dritt zusammen sein? Ging so etwas überhaupt?
War nicht über kurz oder lang einer am Ende der Dumme, weil er sich wie ein fünftes Rad am Wagen fühlen musste?
Und außerdem ... bevor er irgendeine Beziehung eingehen konnte, wie auch immer sie letztlich geartet war, zuerst musste er den HIV-Test abwarten. Oder besser das Ergebnis desselben. Er schauderte.
Was, wenn sich herausstellte, dass seine Peiniger ihn angesteckt hatten? Er wusste, dass Raoul, der, der ihn festgehalten hatte, positiv war. Aber Frank wusste nicht mit Bestimmtheit, ob er und der andere jedes Mal Kondome benutzt hatten. Die Wahrscheinlichkeit, infiziert worden zu sein, war weit höher, als er sich eingestehen wollte.
Frank dachte an jene Nacht zurück, dachte an das viele Blut, das an seinen Beinen hinabgeronnen war, an das Gelächter und die reißenden Schmerzen in seinem Inneren. Er schauderte stärker und spürte nur am Rande, dass Gabriel ihn fester umfing, stärker an sich zog.
Er dachte an seine Angst, nein, seine Panik, versuchte sich einmal mehr daran zu erinnern, wie er nach Hause gefunden hatte. Es blieb auch dieses Mal nur Nebel in seinen Erinnerungen. Er schüttelte sich, wollte nicht sehen, wie es danach mit ihm weitergegangen war. Dass er sich nicht zum Arzt getraut hatte, bis die Schmerzen ihn doch hingetrieben hatten.
Er schluchzte laut auf und versuchte, Luft zu bekommen. Zwecklos. Da waren sie, die forschenden Blicke des Arztes, seine spitzen Bemerkungen über die lasterhafte Freizügigkeit der Jugend von heute, seine mitleidslose Behandlung. Das Nähen der Wunden ...
Frank hatte sich geweigert, einer Vollnarkose zuzustimmen. Kontrollverlust war seine größte Angst gewesen. Er traute seitdem niemandem mehr. Niemandem!
Verwundeter Vogel
Gabriel spürte die Veränderungen an Frank deutlich, hielt den Jüngeren einfach fest und versuchte erst gar nicht, irgendwelche klugen Sprüche zu finden, um ihn zu beruhigen.
Nichts würde helfen, das wusste er einfach. Deshalb murmelte er über seine Schulter: „Sammy, tut mir leid, aber, kannst du mich loslassen?“
Sam trat einen Schritt zurück und nickte, dann sank Gabriel mit einem traurigen Laut auf den Lippen übergangslos in den Schneidersitz und zog den zitternden Frank einfach in seiner Umarmung mit sich, bis er auf seinem Schoß lag wie ein weinendes Kind. Er drückte Frank an sich, versuchte, ihm einfach nur Nähe und Sicherheit zu vermitteln, ohne Worte zu benutzen.
Sam ging vor ihm auf die Knie und betrachtete sie traurig. „Seine Erinnerungen holen ihn ein.“
Gabriel presste die Lippen zusammen und nickte. Er strich Frank das wirre Haar aus der Stirn. „Ich würde ihm so gern helfen!“
Sam lachte leise und strich über Gabriels Wange. „Das tust du doch gerade, Engel.“
Er sah zu ihm. „Ehrlich gesagt, sieht das nicht so aus!“
„Er spürt doch, dass du ihn festhältst, auch wenn er gerade ganz woanders zu sein scheint ...“
„Frank? Ich bin hier, ich passe auf dich auf, genau wie Sam. Wir lassen dich nicht allein.“
Sam strich sacht über Franks Schulter. „Niemand darf dir was tun, das lassen wir nicht zu.“
Danach schwiegen sie lange, ließen Frank die Zeit, die er brauchte, um sich zu beruhigen.
Irgendwann bewegte er sich endlich wieder bewusst, das Schluchzen ebbte ab und die Tränen, die seine schmalen Wangen hinabliefen, erhielten nicht mehr ganz so viel Nachschub. Er wischte sich über die Augen und sah sie nacheinander an, dann erst schien ihm klarzuwerden, dass er in Gabriels Armen auf dessen Schoß lag.
„ Scht , bleib einfach hier, ja?“, bat er leise und lächelte.
Frank nickte abgehackt. „Es ... tut mir leid, ich dachte wirklich, ich hätte das überstanden ... aber ... seitdem ich ... euch
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