Zweifel
Hose. Er fragte sich, ob Bo sich bewusst war, dass er Sams Nacken streichelte und mit dem Daumen sein Ohrläppchen liebkoste.
Ein Blick in Bos Gesicht sagte ihm, dass er es mit Sicherheit nicht wusste. Bo war in Gedanken Lichtjahre von der Realität entfernt und starrte mit zusammengezogenen Brauen ins Leere, während er auf seiner Unterlippe kaute. Seine Finger glitten durch Sams Haare und dieser musste sich hart auf die Zunge beißen, um ein lustvolles Aufstöhnen zu unterdrücken. Verdammt.
Nicht zum ersten Mal wünschte sich Sam, dass Bo es aufgab, ihre Beziehung vor ihren Freunden zu verstecken. Vielleicht hätte er dann nicht jedes Mal den unterbewussten Drang, Sam anzufassen, wenn er in Gedanken versank.
Sam gestattete sich eine Sekunde lang, die Liebkosung zu genießen, bevor er sich räusperte. »Ehm, Bo?«
»Hm?« Bo schloss seine Finger um eine Strähne von Sams Haar und zog ein bisschen zu fest daran.
»Autsch! Bo, eh...« Panisch nach etwas - irgendwas - suchend, das er sagen konnte, platzte Sam mit dem ersten Gedanken heraus, der ihm in den Sinn kam. »Willst du, dass ich den Papierkram für Deans Einstellung hole?«
Hinter ihm versteifte sich Bos Körper und er zog seine Hand ruckartig zurück. »Ja, das wäre eine große Hilfe. Danke.«
Bo drehte sich um und verschwand hastig in seinem Büro, die Tür hinter sich zuschlagend. Sam schloss die Augen, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und atmete tief durch.
Das war knapp gewesen. Ein Teil von ihm hasste Bo dafür, dass er ihn dazu brachte, sich so zu verhalten. Dafür, dass sie verstecken mussten, was sie einander bedeuteten, selbst vor ihren engsten Freunden.
‚Und was genau bedeutest du ihm‘? Die Frage stieg ungebeten aus einer dunklen Ecke seines Bewusstseins auf, in der ein ganzes Leben voll Einsamkeit und Selbstzweifeln lauerte. Er wollte sich nicht damit auseinander setzen.
»Sam?«
Er öffnete die Augen zögerlich und traf auf Ceciles besorgten Blick. »Ja?«
»Ich hab' dich gefragt, ob du alle Formulare auf deiner Festplatte hast oder ob ich sie dir ausdrucken soll.«
Sam schüttelte den Kopf, er stand gerade komplett auf der Leitung. »Formulare?«
»Für Dean.« Eine Falte entstand zwischen Ceciles Brauen. »Bist du okay? Du wirst nicht krank, oder? In letzter Zeit geht die Grippe rum.«
»Nein, alles in Ordnung. Ich habe nur nachgedacht.« Sam zwang sich zu lächeln. »Ich denke, ich habe alle Formulare. Ich sag' Bescheid, wenn mir was fehlt.«
»Okay.« Cecile legte den Kopf schief und sah ihn durchdringend an. »Weißt du, ich hoffe, du verstehst das jetzt nicht falsch, aber in letzter Zeit habe ich mich gefragt...«
Das Klingeln des Telefons unterbrach sie. Sie blickte es stirnrunzelnd an, sah dann zu Sam hinüber und griff nach dem Hörer. »Bay City Paranormal, Cecile am Apparat, wie kann ich Ihnen helfen?«
Sam wandte sich ab, als Cecile nach ihrem Notizblock griff und begann, in rasendem Tempo zu schreiben. Das Telefon hatte sie zwischen Ohr und Schulter geklemmt. Er konnte geradezu fühlen, wie sie ihn beobachtete. Das Gewicht ihres Blickes drückte ihm von hinten auf den Nacken.
‚Sie weiß über Bo und mich Bescheid. Sie hat uns beobachtet und sie weiß es‘.
Cecile war mit Abstand die Person im Team mit der besten Intuition. Also war es keine große Überraschung, dass sie die erste war, die es herausgefunden hatte. Aber auch die anderen würden wohl nicht mehr lange brauchen.
Der Gedanke ließ ihn seltsam ruhig werden. Seine Kollegen bei BCPI waren ihm in den letzten Monaten sehr ans Herz gewachsen und er wusste, dass er ihnen vertrauen konnte. Bo würde es genauso gehen, wenn seine beschissene Angst ihn sich nicht wie eine Auster verschließen ließe, selbst vor den Menschen, denen er wichtig war. Wenn er die überwinden könnte, würde er sich vielleicht auch endlich dem einen Menschen gegenüber vollkommen öffnen, der ihn am meisten liebte.
‚Dem einen Menschen, der ihn liebt‘...
Sam blinzelte verwirrt. Es war das erste Mal, dass er sich die Tiefe seiner Gefühle eingestand, sogar vor sich selbst. Er hatte das seltsame Bedürfnis, laut loszulachen. Von all den Menschen auf der Welt, in die er sich unsterblich verlieben könnte, hatte er sich ausgerechnet den aussuchen müssen, der immer noch mehr oder weniger eine Lüge lebte. Einen, bei dem er befürchten musste, dass er in Sam nie mehr als ein schmutziges Geheimnis sehen würde.
Er schob die bitteren Gedanken von sich und öffnete den
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