Zweifel
Augen aufhalten kann, als ich aus dem Caf é trete. Und zu allem Ü berfluss muss ich jetzt auch noch mit dem Rad nach Hause. Missmutig schlurfe ich zum Fahrradst ä nder und schlie ß e mein altes Stadtrad auf. Ich habe keine Lust, in meine leere Wohnung zur ü ckzukehren. Aber ich bin auch zu m ü de, um irgendwas anderes zu machen.
Also erreiche ich eine Viertelstunde sp ä ter meine kleine Bruchbude im Dachgeschoss eines f ü nfst ö ckigen Baus – nat ü rlich ohne Fahrstuhl. Bruchbude kann man eigentlich nicht sagen, denn die Wohnung wurde erst vor kurzem renoviert. Allerdings misst sie nur vierundzwanzig Quadratmeter mit Bad und K ü chenzeile. Gut, eigentlich noch weniger, denn die Fl ä che mit den Dachschr ä gen z ä hlt nur die H ä lfte. Ich mag sie trotzdem, auch wenn mich die Treppen, die ich zuvor bezwingen muss, jedes Mal wieder umbringen. Erst recht nach einer Doppelschicht.
Ersch ö pft lasse ich mich aufs Bett fallen und schalte den Radiowecker an. Zu mehr bin ich nicht mehr f ä hig. Es l ä uft zun ä chst nur Musik. Mir f ä llt auf, dass ich ein wenig entt ä uscht bin, seine Stimme nicht zu h ö ren. Darauf hatte ich wohl insgeheim gehofft.
Selbstironisch grinsend schl ü pfe ich aus meinen verschwitzten Sachen, in denen sich zudem ein penetranter Geruch nach Essen eingenistet hat. Ich muss unbedingt duschen. Aber ich mag nicht aufstehen. Tr ä ge zerre ich mir noch die Hose ü ber den Hintern und krieche unter die Decke. Es ist albern, aber ich warte auf die Nachrichten. Vielleicht arbeitet er heute gar nicht. Seine Sendung kommt nur dienstags und freitags. Heute ist Mittwoch. Allerdings ist er Nachrichtensprecher, oder? Vielleicht ist er doch gleich auf Sendung.
Wie hei ß t er eigentlich? Ach, muss mich das interessieren? Er kennt meinen Namen ja auch nicht. Es gibt nun wirklich keinen Grund, sich noch weiter in diese peinliche Geschichte hineinzusteigern. Zumal er schon einen Freund hat, dem ich nie im Leben das Wasser reichen k ö nnte. Erst recht nicht, wenn alles, was ich zu bieten habe, ein geiler Arsch ist. Und selbst der ä ndert nichts daran, dass ich eine Niete im Bett bin. Womit sollte ich ihn also f ü r mich einnehmen?
Resigniert strecke ich meinen Arm aus und taste nach dem Schalter f ü r den Wecker. Ich sollte jetzt einfach duschen und dann schlafen gehen. Doch da kommt die Meldung: » Und jetzt hat Kilian Hubert die Nachrichten f ü r uns zusammengestellt. «
Dann seine angenehme, warme Stimme. Wie elektrisiert horche ich auf. Ich kriege den Inhalt gar nicht mit. Nur den Klang sauge ich in mich auf.
* * *
Am n ä chsten Tag beginnt meine Schicht wieder um halb neun. Immerhin habe ich diese Nacht durchgeschlafen. Ein weiterer positiver Aspekt: Markus ist wieder unter den Lebenden und steht arbeitsam hinter der Theke.
» Wo warst du gestern? « , erkundige ich mich.
» Der Chef hat mir freigegeben « , gesteht er zerknirscht. » War viel los? «
» Ja und nur Fiona war noch da « , berichte ich.
Er macht ein schuldbewusstes Gesicht. » Die Neue? Himmel, na ja, ich dachte, der Chef wei ß schon, wie ‘ s hier unten aussieht. «
» Der interessiert sich wie alle anderen nur f ü r das R ü hrei « , seufze ich und binde mir die Kellnersch ü rze um. Er lacht. Selten, dass ich jemanden mit meinem trockenen Humor dazu bekomme.
» Na, du lebst ja noch. « Markus grinst fr ö hlich. » Heute kommt, so viel ich wei ß , noch Lisa und die ist ja schon ganz flott. «
Ich nicke dankbar und mache mich daran, das Buffet aufzustellen. Lisa ist zwar flott, aber meistens zu sp ä t, weil sie immer ihren Bus verpasst und auf den n ä chsten warten muss.
In der K ü che geht es schon hei ß her. Zum Gl ü ck ist das nicht mein Job. Ich h ä tte jetzt echt keine Lust, K ä se zu schneiden und Wurst auszulegen.
» Oh, du bist ja schon fast fertig mit Aufbauen! Sorry! « Mit diesem Ausruf rauscht Lisa in den Raum.
Ich zucke mit den Schultern. » Schon gut. War gerade so dabei. «
» Du bist ein Engel « , sagt sie grinsend und f ä llt mir um den Hals.
Bei Frauen bekomme ich davon immer Beklemmungen. Bei M ä nnern eigentlich auch, wenn ich sie nicht gut kenne … Aber da ist es etwas anderes. Ich schiebe sie von mir.
» Daf ü r ü bernimmst du die ersten G ä ste. «
Sie gibt schnell nach. » Okay. Ich mach ‘ dann mal auf. Oder kommt der Chef? «
» Warten wir lieber nicht drauf « , meine ich und reiche ihr ihre Sch ü rze. » Sag mir Bescheid, wenn ’ s zu viele
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