Zweifel
könnten 'nen Espresso trinken und dann erzähl' ich dir, was in Oleander House wirklich passiert ist.«
»Okay.« Dean biss sich auf die Unterlippe und stand auf, um David zu folgen. Er sah in diesem Moment so jung und unsicher aus, dass in Sam eine Welle des Mitgefühls hochkam. Dean war vielleicht ein notorischer Aufreißer, aber er reagierte sensibel auf die Menschen in seiner Umgebung und wollte helfen, wo er konnte. Wie musste er sich jetzt fühlen? Offensichtlich hielt er sich für die Ursache von Andres Schmerz.
Aus einem plötzlichen Impuls heraus streckte Sam die Hand aus und griff nach Deans, als dieser an ihm vorbeiging. Dean blinzelte überrascht zu ihm hinunter und lächelte dann.
»Mach dir keine Sorgen, Dean. Andre ist nicht böse auf dich, das wird schon wieder. Es ist einfach seine Art, damit umzugehen.«
Dean erwiderte sein Lächeln. »Danke, Sam. Bis später.« Dean drückte Sams Finger leicht, bevor er sie losließ und David zur Vordertür hinaus folgte.
Eine Minute lang sagte niemand etwas. Dann schlurfte Cecile zu Deans Bürostuhl und ließ sich hinein fallen. »Ich hasse Montage.«
Sam seufzte. »Das kannst du laut sagen. Willst du mir beim Sichten helfen?«
»Wieso nicht?« Cecile drehte den Stuhl herum und stupste Bos Bein mit dem Fuß an. »Hey, würdest du mir bitte ein Paar Kopfhörer geben? Andre hat ein Extrapaar in seiner Schreibtischschublade.«
Bo blickte sie eine Sekunde lang ausdruckslos an, ließ sich aber schließlich auf Andres Stuhl nieder. Er öffnete die Schublade, fand die Kopfhörer und reichte sie ohne ein Wort an Cecile weiter.
Cecile tauschte einen besorgten Blick mit Sam, bevor sie die Hand ausstreckte und kurz über Bos Arm strich. »Bo, ist alles okay? Du bist heute Morgen so komisch.«
Einen Atemzug lang begegnete Bos Blick Sams, und dessen Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Er hatte das dumpfe Gefühl zu wissen, was jetzt kam.
»Ich habe gestern mit Janine gesprochen.« Bo wandte den Blick ab und spielte abwesend mit einer Haarsträhne, die über seine Schulter fiel. »War nicht schön.«
Die Verzweiflung in Bos Blick ließ die Sehnsucht in Sam erneut erwachen. Sehnsucht danach, den Mann in die Arme zu nehmen und ihn einfach nur festzuhalten, zu küssen und ihn wissen zu lassen, dass er geliebt wurde. Aber Sam glaubt nicht, dass Bo Trost von ihm akzeptieren würde, selbst wenn sie alleine gewesen wären. Nicht nach dem, was Samstag passiert war. Und diese Erkenntnis schmerzte mehr als alles andere.
Cecile nahm Bos Hand zwischen die ihren und drückte sie. »Es tut mir so leid, Bo. Können wir irgendwas für dich tun?«
»Nein, aber danke.« Bos Mundwinkel hoben sich zu einem angestrengten Lächeln. »Lasst uns ein paar von den Videos abarbeiten. Ich würde gerne so viele wie möglich schaffen, bevor David und Dean zurück sind.«
»Glaubst du, Andre kommt heute noch wieder?« Sam redete sich ein, dass er nicht nur sprach, damit Bo ihn ansehen musste. Er war sich nur nicht sicher, wem er das eigentlich weismachen wollte.
Bo zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht. Zur Not schaffen wir es auch ohne ihn. Ich will ihn nicht drängen.«
»Ja.« Cecile schüttelte den Kopf und wandte sich wieder ihrem Computer zu. »Armer Andre. Ich wünschte, ich könnte ihm helfen.«
»Ich auch.«
Bos Stimme war leise und traurig. Sam verstand, wie er sich fühlte. Es verging kein Tag, an dem er sich nicht wünschte, Andres Schmerz irgendwie lindern zu können. Er betrachtete Bos Profil und kämpfte um seine Selbstbeherrschung, als eine Welle der Schuldgefühle über ihn hereinbrach.
‚Andre und Bo. Ich habe ihr Leben ruiniert. Wie können sie es überhaupt ertragen, mich auch nur anzusehen‘?
Dem logischen Teil von Sams Verstand war es bewusst, dass er überdramatisierte. Andre hatte einen schrecklichen Verlust erlebt, aber er war nicht der Einzige, dem so etwas passierte. Bo musste sich mit Dingen auseinandersetzen, die er schon vor zehn Jahren hätte akzeptieren sollen. Sams Worte waren zwar verletzend, aber im Grunde die Wahrheit gewesen. Hoffentlich würde Bo das auch noch erkennen. Irgendwann.
Sam wusste, dass es kontraproduktiv war, sich die Schuld an allem zu geben. Wenn nur seine Emotionen auch so leicht zu überzeugen gewesen wären...
Er wirbelte in seinem Stuhl herum und startete das Video erneut. Neben ihm tat Cecile das Gleiche. Das Klicken der Tasten hinter Sam wurde gefolgt von einem leisen Rauschen, als Bo das Video startete, das Andre
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