Zweiherz
Für eine Weile fiel alle Anspannung von ihm ab, und er genoss es einfach, in ihrer Nähe zu sein. Während er sich über das Rührei hermachte, saß Kaye ihm gegenüber und aß ebenfalls. Aber die meiste Zeit sah sie ihn so voller Liebe an, dass ihm froh und bange zugleich wurde.
Kaye liebte ihn und wollte mit ihm zusammen sein. Er wollte das auch. Er wollte alles von ihr: ein Leben, Kinder, oder wenigstens in ihrer Küche sitzen. Aber würde sie ihn auch dann noch lieben, wenn sie erfuhr, was ihm widerfahren war? Was er zugelassen hatte?
Vielleicht spürte sie seine Angst, aber sie wusste nicht, wie es wirklich um ihn stand. Dass Zweiherz Kojote durch seine Nächte geisterte, weil er schwach war. Dass er nicht genügend Kraft hatte, sich gegen den Unheilstifter zur Wehr zu setzen, weil er sich vor sich selbst ekelte.
»Fühlst du dich gut?«, fragte Kaye und riss ihn aus seinen Gedanken.
»Ja«, erwiderte er und versuchte ein Lächeln. »So gut, wie man sich nach einer Nacht wie dieser fühlen kann. Ich mache mir Sorgen um Aquilar. Seine Beine sahen schlimm aus.«
Kaye nickte. »Wenn du fertig bist mit deinem Frühstück, dann können wir ins Krankenhaus fahren und sehen, wie es um ihn steht.«
Zunächst fuhren sie zu Großvater Sam. Er war ein Frühaufsteher und sie fanden ihn bei seinen Schafen. Sie erzählten dem Alten, was in der Nacht passiert war, und Will konnte seinem Großvater endlich das Versprechen abringen, sich ein Telefon anzuschaffen. In dieser Nacht wäre es von großem Nutzen gewesen.
Nachdem Will sich umgezogen hatte, fuhren sie nach Fort Defiance ins Krankenhaus, und dort erfuhren sie von Aquilars Verlegung nach Holbrook, der nächstgrößeren Stadt außerhalb des Reservats. Vor einer knappen Stunde hatte man ihn abgeholt. Das Northland Medical Center sei für solche Fälle wie seinen weitaus besser ausgerüstet, sagte der Arzt, der ihn untersucht hatte.
Kaye merkte, wie Will der Schreck in die Glieder fuhr.
»Was heißt: Solche Fälle wie seinen? «, fragte er verwirrt. »Aquilar braucht schließlich keine Herzoperation. Seine Beine sind gebrochen.«
»Na ja.« Der Arzt machte eine sorgenvolle Miene. »Er hat aber auch ziemlich schlimme Quetschungen. Ein offener Bruch im linken Unterschenkel - das Bein war nicht mehr richtig durchblutet. Vielleicht muss es amputiert werden.«
»Amputiert?« Voller Panik starrte Will den Arzt an.
Der hob bedauernd die Schultern. »Die Kollegen in Holbrook werden alles versuchen, aber ich will Ihnen nichts vormachen: Wunder können sie nicht vollbringen.«
Kaye sah, dass Will etwas erwidern wollte, und sagte schnell: »Haben Sie vielen Dank für Ihre Auskunft, Doc.« Sie zog Will, der ihr nur widerstrebend folgte, am Arm den Gang entlang nach draußen.
»Das darf nicht sein«, sagte er, als sie wieder auf dem Parkplatz standen. Wie von Sinnen starrte er vor sich hin ins Leere. »Das darf nicht sein.«
»Will.« Kaye nahm seine Hand. »Vielleicht hat er ja Glück. Das Krankenhaus in Holbrook hat einen guten Ruf. Dort gibt es hervorragende Ärzte.«
Doch Wills Bestürzung wuchs. »Was ist, wenn sie Aquilar tatsächlich ein Bein abnehmen müssen? Was, wenn er nie wieder gehen kann?«
Kaye blickte zu Boden. Es war durchaus möglich, so wie Aquilars Beine ausgesehen hatten. »Es wird schon alles gut gehen«, sagte sie. Doch ihre Stimme klang nicht sehr überzeugend.
Als Nächstes fuhren sie zum Haus der Yazzies. Dort trafen sie jedoch nur Aquilars Großmutter an. Bekleidet mit einem langen Rock und violetter Samtbluse, der traditionellen Kleidung der Navajo-Frauen, hockte sie auf einem niedrigen Schemel vor einem Webstuhl im Freien und arbeitete. Der Teppich, der im Entstehen war, hatte ein altes Muster und wunderschöne warme Farben. Das erinnerte Kaye an ihr Versprechen, das sie Spinnenfrau gegeben hatte. Ihr eigener Webstuhl stand immer noch unbenutzt in der Garage. Doch sobald sie Zeit hatte, würde sie mit dem Weben beginnen. Vielleicht wendete sich dann alles zum Guten.
Aquilars Großmutter war steinalt, und sie wollten sie nicht beunruhigen, also erzählten sie ihr nur, dass ihr Enkel mit gebrochenen Beinen im Krankenhaus in Holbrook lag.
Die alte Indianerin berichtete ihnen auf Navajo, dass Aquilars Mutter im Hinterland unterwegs war, um Farbpflanzen zu sammeln, und Maria, seine Schwester, sich auf dem Weg nach Klagetho befand, wo sie in einem Bekleidungsladen als Verkäuferin arbeitete.
Aquilars Vater würde irgendwo an einer Mesa die
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