Zweiherz
College?«
Er nickte. »Ich hab mich schon eingeschrieben für den Herbst. Ich will Sozialarbeiter werden.«
»Aber du hast gar keinen Highschool-Abschluss.«
»Ich habe einen Abschluss. Im Gefängnis hatte ich die Möglichkeit dazu.«
Statt sich zu freuen, sah Kaye auf einmal traurig aus.
»Was ist? Ich dachte, es würde dir gefallen, dass ich nicht nur Ahnung von Pferden und Schafen habe. Ich muss zugeben, dass ich ziemlich stolz auf meinen Abschluss bin.«
»Ich freue mich ja. Aber es zeigt mir auch, wie wenig ich eigentlich von dir weiß. Warum hast du mir nie davon erzählt?«
Will hockte sich hinter Kaye, legte seine Arme um sie und lehnte sich gegen die Wand. »Ich werde dir alles, wirklich alles von mir erzählen«, flüsterte er an ihrem Ohr. »Lass mir nur noch etwas Zeit. Einiges ist nicht so einfach über die Lippen zu bringen.«
»Ich liebe dich so sehr, dass es manchmal wehtut, Will Roanhorse. Warum hast du mich so lange warten lassen?«
»Weil ich erst herausfinden musste, ob ich noch in der Lage bin, ein normales Leben zu führen. Ich wollte nicht, dass du mir irgendwelche Versprechungen machst, die du dann nicht halten kannst. Ich war so kaputt, Kaye.« Er wusste nicht, wie er es anders ausdrücken sollte.
Sie presste seine Finger an ihre Lippen. »Das ist jetzt vorbei.«
» Aoo’ . Aber manchmal wird es wiederkommen. Vielleicht gerade in einem Augenblick, in dem du am wenigsten damit rechnest. Dann versuche nicht, mich zu verstehen. Lass mich einfach nur in deiner Nähe sein.«
»Versprochen«, sagte sie.
»Ich weiß noch nicht, wie ich das alles zusammenbringe.« Will streichelte ihren Arm. »Aufs College möchte ich unbedingt. Ich will den Kids im Res helfen, vielleicht kannst du diesen Wunsch nachvollziehen. Aber ich will auch das Silberklopfen lernen von meinem Großvater. Wenn wir mal Kinder haben, dann sollen sie begreifen, wie wichtig es ist, Traditionen zu haben.«
»Silberschmieden gibt es jetzt auch als Lehrfach am College«, sagte Kaye. »Wenn du willst, kannst du sogar einen Abschluss machen.«
»Ja. Ich will so vieles.«
»Du wirst vieles schaffen«, sagte Kaye.
Den nächsten Tag verbrachten sie im Bett. Sie verließen es nur für gelegentliche Ausflüge in die Küche, um den Kühlschrank zu inspizieren und ihren Hunger und ihren Durst zu stillen. Wieder und wieder entdeckten sie einander neu, redeten und schwiegen. Es gab so viele Möglichkeiten, um auszudrücken, was sie füreinander empfanden.
Will wurde nicht müde, Kaye anzusehen. Und sie konnte nicht aufhören, ihn zu berühren.
Am Sonntagvormittag - Will und Kaye arbeiteten an einem Mittagessen für Großvater Sam - klingelte das Telefon. Kaye wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und brüllte »Kaye Kingley!« in den Hörer. Will drehte das Radio leiser, aus dem Musik von Blackfire schallte.
»Hallo Kleines! Ich wollte noch mal mit dir reden. Du warst am Freitag so kurz angebunden.«
»Hallo Daddy«, sagte Kaye und verdrehte die Augen. »Ich war auf dem Weg zum Tanzfest und hatte es eilig. Keine Sorge, ich bin okay.«
»Deine Stimme klingt heute so anders, ist irgendwas?«, fragte Arthur besorgt.
»Wie klingt sie denn, meine Stimme?«
Aus dem Hörer kam nur Schweigen.
»Daddy? Bist du noch dran?«
»Sie klingt wie die Stimme deiner Mutter, wenn sie sehr glücklich war.«
Wieder Schweigen.
»Kaye?«
»Ja, Dad!«
»Ist Will bei dir?«
Kaye blickte auf und sah Will an. Er schüttelte heftig den Kopf.
»Ja, Dad, er ist hier«, antwortete sie wahrheitsgemäß.
»Ich möchte kurz mit ihm sprechen, ja?«
Kaye reichte Will den Hörer. Er versuchte noch einmal, sich zu drücken, aber dann nahm er ihn und meldete sich mit: »Hallo, hier ist Will, Mr Kingley?«
Kaye konnte nicht hören, was ihr Vater Will erzählte. Sie versuchte, es aus seinem Gesichtsausdruck herauszulesen. Er wurde abwechselnd blass und rot. Schweißperlen traten auf seine Stirn. Er sagte kein Wort, nickte nur ab und zu. Am Ende machte sich ein befreites Lächeln auf seinem Gesicht breit. »Ja, Sir!«, sagte er und legte auf.
»Was wollte er denn?« Kaye rieb die vom Teig klebrigen Finger an ihrer Schürze und verging bald vor Neugier.
»Er sagt, er will drei Schafe und sieben Hühner für dich haben, und wir sollen ihn am nächsten Freitag 17 Uhr in Gallup am Flughafen abholen. Er kommt nach Hause.«
Kaye brauchte einen Moment, um zu verdauen, was Will gesagt hatte. Sie strahlte, setzte aber dann ein bemüht mürrisches
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