Zweite Chance fuer die Liebe
wiedergesehen hatten. Deshalb hatte es sie so bedrückt, dass er von ihrer Schuld so überzeugt gewesen war. Dass er sie für eine Drogenabhängige gehalten hatte. Das war der Grund, weshalb sie in den letzten Tagen so missmutig gewesen war. Und weshalb sie sich gestern in der Bibliothek von ihm hatte verführen lassen. Insgeheim hatte sie sich die Verführung gewünscht.
Lily schluckte. Sie hatten sich zärtlich und leidenschaftlich zugleich geliebt. Beide hatten sie gegeben und genommen. Er hatte ihr gesagt, dass sie ihn wahnsinnig vor Verlangen mache. Sicher, Liebe hatte er mit keinem Ton erwähnt, aber sie konnte nicht glauben, dass er nichts für sie empfand.
Und selbst wenn …
Was bedeutete das alles nun? Nichts. Denn er hielt nichts von Liebe. Das hatte er schon deutlich gesagt. Somit würde er auch nicht begeistert sein, dass sie ihn liebte. Aber … was, wenn er ihretwegen seine Meinung geändert hatte?
Na klar. Wie viele andere Frauen vor ihr mochten sich das schon gewünscht haben?
Großer Gott! Sie fing schon genauso an wie ihre Mutter in den Tagebüchern. Er liebt mich – er liebt mich nicht …
Der Mann, der gerade vier Tage lang alles getan hatte, um ihr aus dem Weg zu gehen, würde ihr jetzt nach einer Nacht nicht auf Knien einen Antrag machen.
Dummerweise konnte sie nicht abstreiten, dass es genau das war, was sie sich wünschte. Sie wollte das haben, was Jo und Oliver hatten. Sie wollte zu jemandem gehören, wollte von jemandem geliebt werden. Sie wollte etwas haben, das von Dauer war.
Sie stöhnte laut auf und rollte sich auf den Bauch, barg das Gesicht im Kissen. Und was sollte sie nun machen?
Sie bezweifelte ernsthaft, dass Tristan ihr plötzlich seine Liebe erklären würde, sosehr sie sich auch danach sehnen mochte. Überglücklich hatte er vorhin nicht gerade gewirkt, oder? Nein, eher betreten, fast verstört. Nach dem brennenden Kuss hatte sie es abgetan, aber …
Genug! In ihrem Kopf schnellte ein großes Stoppschild hoch. Nein, mit diesem Hin und Her musste Schluss sein! Sie würde einfach abwarten. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was Tristan fühlte, und bis sie ihn gefragt hatte, war es besser, sich keine Geschichten im Kopf auszumalen. Wunderschöne, romantische Geschichten – pure Fantasiegebilde.
Anstatt Luftschlösser zu bauen, sollte sie sich lieber in Bewegung setzen. Inzwischen war es halb zehn, und Jordana würde bald kommen, um die letzten Hochzeitsvorbereitungen zu erledigen. Zudem war ein Lunch mit ein paar Freundinnen geplant, und heute Abend sollte ein Dinner mit den engsten Freunden und der Familie stattfinden.
Sollte sie schnell duschen, bevor Tristan zurückkam? Oder sollte sie ihn suchen gehen und daran erinnern, dass Jordana jede Minute eintreffen konnte?
Das Klingeln ihres Handys nahm ihr die Entscheidung ab. Sie kramte es aus ihrer Handtasche und erkannte die Nummer auf dem Display als die des Inspektors, der ihren Fall bearbeitete.
Ihr Fall! Bei all der Schwärmerei über Tristan hatte sie den völlig vergessen!
„Guten Morgen, Inspektor“, meldete sie sich.
„Miss Wild, ich muss mich entschuldigen, dass ich Ihnen die Nachricht nicht persönlich überbringe, aber im Moment ist es mir leider nicht möglich, nach Hillesden Abbey rauszukommen. Lord Garrett hat ausdrücklich darum gebeten, Ihnen Bescheid zu geben, sobald sich etwas Neues ergibt.“
Lily schluckte, ihre Handflächen wurden feucht. „Sie haben also etwas herausgefunden?“
„Nicht nur herausgefunden, Miss Wild. Der Fall ist geklärt. Oder ich sollte besser sagen, Lord Garrett hat ihn geklärt.“
„Tristan?“ Verdutzt ließ Lily sich auf den Samtschemel vor dem Schminktisch fallen. „Ich verstehe nicht ganz.“
„Lord Garrett informierte uns vor zwei Tagen, dass ihm eine Abweichung zwischen der Flugpersonalliste, die der Polizei ursprünglich zur Verfügung gestellt wurde, und der Liste, die die Fluggesellschaft ihm später per E-Mail zukommen ließ, aufgefallen war. Eine Stewardess war in letzter Minute ausgewechselt worden, eine Information, die im Nachhinein nicht an uns weitergeleitet wurde. Da uns nur die Originalliste zur Verfügung stand, ist diese Person bei unseren ersten Ermittlungen gar nicht aufgetaucht.“
„Aber warum hat die Stewardess so etwas getan?“, fragte Lily.
„Mit dem Drogenhandel wollte sie sich ein paar Pfund hinzuverdienen. Als sie dann hörte, dass nicht nur die Passagiere, sondern auch die Flugbegleiter an den Drogenhunden
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