Zwergenfluch: Roman
überqueren konnten. Dann erst würde der entscheidende Teil der Schlacht beginnen, bei dem sie sich nicht mehr hinter irgendwelchen Verteidigungsstellungen verbarrikadieren konnten - ein erbarmungsloses Gemetzel im direkten Nahkampf. Wenn die Dunkelelben auch dann noch schneller und in größerer Zahl vorrückten, als es ihnen gelang, sie zu töten, würden sie jede noch so entschlossene Abwehr bald überwinden.
Aber noch etwas würde verhindern, dass sich der Kampf
über allzu lange Zeit hinzog. Tharlia hatte gesagt, die Priesterinnen wären noch über Stunden hinweg in der Lage, ihren geistigen Verbund aufrechtzuerhalten, um die Angreifer sichtbar zu machen, aber auch ihren Kräften waren Grenzen gesetzt. Irgendwann würden auch sie vor Erschöpfung aufgeben müssen. Spätestens dann, wenn die Krieger ihre Feinde nicht mehr sehen konnten, wäre der Kampf verloren.
Das Eingreifen der Goblins hatte ihre Chancen deutlich erhöht, dennoch standen ihre Aussichten auf Dauer nicht besonders gut gegen einen Feind, der nicht nur ein so schrecklicher Gegner im Kampf, sondern ihnen auch an Zahl weit überlegen war.
»Da unten tut sich etwas«, riss Sutis, der die ganze Zeit an der Brüstung stehen geblieben war und das Geschehen in der Tiefe beobachtet hatte, Barlok aus seinen Gedanken. »Ich glaube, sie greifen wieder an!«
Mit zwei raschen Schritten war Barlok bei ihm und blickte ebenfalls auf den Strand hinunter. Er wurde blass.
»Was für eine neue Teufelei ist das ?«, stieß er mit krächzender Stimme hervor.
Schweigend drangen sie Meile um Meile tiefer in den Wald vor, hauptsächlich auf Wegen, die diese Bezeichnung kaum verdienten. Meistens handelte es sich um kaum sichtbare Wildwechsel, manchmal schien Malcorion sie auch ganz ohne Pfad quer durchs Unterholz zu führen. Warlon fragte sich, wie der Waldläufer überhaupt die Übersicht behielt. Man brauchte schon ein Orientierungsvermögen ähnlich dem der Zwerge, um sich in dieser Wildnis nicht zu verirren.
Direkt nachdem er sich vorgestellt hatte, hatte Malcorion
sie aufgefordert, ihm zu folgen, hatte sich umgedreht und war losgeeilt. Schon bald hatten die Zwerge es aufgegeben, ihn mit Fragen zu bombardieren, da er auf keine von ihnen reagierte. Außerdem legte er ein so schnelles Tempo vor, dass sie sich eilen mussten, mit ihm Schritt zu halten, und rasch außer Atem gerieten. Das Gehen auf dem unebenen Boden war anstrengend, immer wieder stolperten sie über Baumwurzeln oder andere verborgene Hindernisse.
Nach einiger Zeit schöpfte Warlon den Verdacht, dass die häufigen Richtungswechsel des Waldläufers nur den Zweck hatten, sie in die Irre zu führen, damit sie den Weg allein nicht wiederfinden konnten. Dieser Verdacht bestätigte sich, als sie schon zum zweiten Mal an eine Stelle gerieten, wo sie zuvor bereits gewesen waren, wie er trotz der Dunkelheit dank seines untrüglichen Orientierungsvermögens sofort erkannte.
»Wartet!«, sagte er scharf, und tatsächlich blieb Malcorion stehen und blickte zu ihm zurück. »Ihr scheint nicht viel über Zwerge zu wissen«, fuhr Warlon fort. »Wir besitzen eine natürliche Fähigkeit, selbst innerhalb des kompliziertesten Labyrinths jedem Weg zu folgen, den wir bereits einmal gegangen sind. Jeder von uns würde trotz Eurer Bemühungen, uns zu verwirren, mühelos den Weg zurück zum Waldrand und wieder hierher finden. Es hat also keinerlei Sinn, uns durch Umwege in die Irre führen zu wollen, die nur unnötig Zeit kosten.«
Einige Sekunden lang schwieg der Waldläufer und starrte sie aus der Dunkelheit unter seiner Kapuze nur stumm an, dann begann er leise zu lachen.
»Anscheinend weiß ich wirklich längst nicht so viel über Zwerge, wie ich dachte«, sagte er. »Noch niemals habe ich jemanden zu meinem Heim geführt, der in der Lage gewesen
wäre, den Weg aus eigener Kraft wiederzufinden. Vielleicht wäre es besser, mein Vorhaben noch einmal zu überdenken.«
»Dann wisst Ihr offenbar auch nichts von der berühmten Verschwiegenheit der Zwerge«, sagte Warlon rasch. »Wir werden Euer Geheimnis niemals anderen gegenüber preisgeben, weder freiwillig noch unter der Folter. Davon abgesehen - ohne Eure Hilfe wird es vielleicht schon bald kein Volk der Zwerge mehr geben.«
Malcorion zögerte einen Moment, dann drehte er sich wortlos um und ging weiter.
»Ein unheimlicher Mensch«, raunte Ailin. »So düster und abweisend. Er hat nicht einmal nach unseren Namen gefragt. Ich bin mir nicht sicher, ob wir
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