Zwergenkinder, Band 01 - Bekker, A: Zwergenkinder, Band 01
Gebräuchen nicht aus, muss ich gestehen. Abgesehen davon ist der heutige Ausflug in die Wüste beinahe die längste Reise, die ich je unternommen habe.« Er seufzte. »Ich hätte in der sicheren Stadt bleiben sollen. Aber was tut man nicht alles, um einem mittelmäßig begabten Zauberschüler eine gute Ausbildung zukommen zu lassen, damit er endlich den Zauberstab schwingen kann.«
»Also …«, wollte Tomli aufbegehren.
Meister Saradul brachte ihn mit einem durchdringenden Blick zum Schweigen. » › Zaubern ‹ kann man das Chaos, das du veranstaltet hast, wohl kaum nennen, oder?«
Er stieß einen weiteren Pfiff aus, diesmal mit magischer Unterstützung, wofür er mit dem dicken Zeigefinger seiner rechten Hand ein zwergisches Zauberzeichen in die Luft malte, sodass der Pfiff deutlich lauter wurde. So laut, dass er Tomli schon fast in den Ohren schmerzte. Am liebsten hätte er sie sich zugehalten.
»Bist du ein empfindlicher Elb, der schon erschrickt, wenn irgendwo das Gras zu laut wächst?«, fragte Saradul spöttisch.
Aus der Ferne kam die Antwort auf seinen Pfiff in Form eines zweistimmigen Drachengebrülls.
»Das klingt doch schon mal ganz erfreulich!«, meinte der Zaubermeister und ließ gleich noch ein ähnlich durchdringendes Pfeifen folgen.
Die Laufdrachen spüren wahrscheinlich auch die Anwesenheit der Wüsten-Orks und haben Angst! , dachte Tomli. Und das aus gutem Grund!
Im nächsten Moment hob sich in einer Entfernung von einigen hundert Zwergenschritten etwas aus dem Sand.
Ein Wüsten-Ork, erkannte Tomli.
Die Gestalt war kräftig und so groß wie ein hochgewachsener Mann aus dem Volk der Rhagar. Aber die Schultern waren viel breiter, die Arme und Beine kräftiger, und der Kopf hatte ein tierhaftes Maul, aus dem vier lange Hauer ragten. Die Haut war sandfarben, genau wie das Gewand und der Brustpanzer. Auf dem Rücken trug der Wüsten-Ork ein gewaltiges Schwert.
Die Wüsten-Orks konnten sich unter dem Sand gut fortbewegen. Wie sie das genau bewerkstelligten, wusste niemand, aber wahrscheinlich wühlten sie sich einfach mit ihren schaufelartigen, krallenbewehrten Pranken voran.
Jedenfalls tauchten sie immer urplötzlich aus dem Sand auf, wenn sie in der Wüste einen ihrer gefürchteten Überfälle begingen. Von einem Moment zum anderen konnten sich Dutzende oder gar Hunderte von ihnen aus dem Sand graben. Dann fielen sie zumeist über eines der magischen Sandschiffe her, die in der Wüste von Rhagardan unterwegs waren.
Über die Wüsten-Orks erzählte man sich die schlimmsten Geschichten. Sie griffen Menschen und Sandlinger ebenso an wie Laufdrachen oder jedes andere Geschöpf, das sich weiter als ein paar Meilen in ihr Gebiet wagte. Aber ganz besonders hatten sie es auf Zwerge abgesehen. Diese Feindschaft war uralt und lag in einer lange zurückliegenden Zeit begründet. Als Zwerg tat man gut daran, ihnen nicht in die Hände zu fallen.
Überall um Tomli und Saradul häuften sich auf einmal kleine Sandhügel auf, an mindestens zwanzig oder dreißig Stellen, und Wüsten-Orks tauchten aus der Tiefe empor. Manche von ihnen knurrten drohend, fletschten die Zähne, so als würden sie sich auf eine Mahlzeit freuen, und wieder andere hatten bereits ihre Waffe gezogen. Zumeist hatten sie Streitäxte und Schwerter mit sichelförmigen Klingen bei sich, aber einige hielten auch Speere oder Steinäxte in ihren Krallenhänden, deren Klingen aus sehr scharfen Splittern bestanden, die die Wüsten-Orks aus Felsen schlugen.
Ein Mensch oder Elb hätte solch eine Steinaxt nicht einmal heben können, während ein sehr kräftiger Zwerg vielleicht gerade mal in der Lage gewesen wäre, eine dieser Waffen fünf oder sechs Herzschläge lang über der Schulter zu tragen.
Die Wüsten-Orks hingegen hantierten damit, als würden sie kaum etwas wiegen.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Tomli.
»Vor allen Dingen die Ruhe bewahren«, antwortete Meister Saradul.
»Ich fürchte, das wird in diesem Fall nicht ausreichen, und ich wäre Euch sehr dankbar, wenn Ihr irgendeine Abwehrmaßnahme treffen würdet«, sagte Tomli aufgeregt. »Gibt es da nicht zufälligerweise irgendeinen Zauberspruch, der diese finsteren Gesellen vertreibt?«
»Nur nicht nervös werden«, mahnte sein Meister. »Die Wüsten-Orks spüren deine Angst. Sie können sie riechen, und das macht sie dann umso wilder und gefährlicher.«
»Ihr wisst keinen Zauber gegen sie?«, fragte Tomli noch einmal nach, und als Saradul seine Frage erneut nicht
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