Zwergensturm
Stellen aus dem Körper schauten und die eine dunkle Robe trug, stand in der Mitte eines Feldes, auf dem eine Schlacht stattgefunden zu haben schien. Unter den Füßen der Gestalt – etwas sagte Haggy, dass sie den Hausherren darstellte – waren Knochen zu sehen. Unzählige Knochen, ein riesiger Haufen. Viele davon gehörten offenbar kleineren Lebewesen, einige groß gewachsenen. Im Hintergrund brannten ein paar Häuser in einem dunkelgrünen, dämonischen Feuer. Der Anblick fesselte ihn, und je länger er auf das Bild und vor allem auf die Knochen blickte, umso mehr erschienen ihm Gesichter der Zwerge und Dunkelelfen vor den Augen, mit denen sie vor kurzer Zeit noch zusammen gekämpft hatten. „Bei den Göttern“, sprach er voller Entsetzen, „das ist Aurelia. Ein Bildnis von Aurelia und der Schlacht!“ „Sieh nicht hin!“ Thrylas kam von hinten und hielt dem Zwerg die Augen zu. Dann drehte er ihn um. „Seht euch das Bild nicht an! Es verwirrt den Geist. Ich will nicht, dass ihr hier drin verrückt werdet.“ Tinchena schaute aber immer noch auf das Bild, den Kopf hatte sie dabei zur Seite gelegt: „Ich will ja nicht meckern“, sagte sie, „aber der Maler hätte sich ruhig mehr Zeit lassen sollen. Seht mal, die Knochen hier bei dem Skelett passen gar nicht zueinander.“ „Komm, Kleine“, sagte Otto und legte den Arm um Tinchena. Doch auch er warf einen letzten Blick auf das unheimliche Bild, und es rief einen Fluchtinstinkt in ihm hervor. Sein Blick wanderte zur Tür, die immer noch offen stand. Nur mit äußerster Mühe gelang es ihm, den Drang nach Flucht zu unterdrücken und nicht aus der Festung zu rennen.
Knarrend schwangen ohne jede Vorwarnung die beiden Türen des alten Schrankes gegenüber auf. Alle sahen sich erschrocken um. Aus dem Schrank, der ansonsten leer war, kam hektisch ein kopfgroßes, violettes Auge angeflogen. Es flog in Kopfhöhe Haggys und sah sich ruckartig um. Dann flog es quer durch die Gruppe hindurch auf den Gang gegenüber der Eingangstüre zu. „Haltet es auf!“, schrie Wynlana und griff nach dem fliegenden Auge, verfehlte es aber. Otto hechtete hinterher, konnte es aber nicht ergreifen. Das Auge beschleunigte spürbar. Bong sprang ins Leere, doch Zahrin hieb mit ihrem Zweihänder nach dem Ding. Der Schlag streifte es und warf es kurz aus der Flugbahn. Es schrammte an der Wand entlang, und zur Überraschung aller fing es an zu bluten. Es zog eine schmierige Spur zuerst an der Wand entlang, dann tropfte etwas gelbliches Blut auf den Boden. Doch es flog weiter. „Verdammt!“ Bong fluchte laut und dachte sofort, dass es wohl besser wäre, leiser zu sein. Haggy analysierte, dass ein schneller Schuss zu viel Lärm verursachen würde, und blickte dem Auge hinterher: „Verdammt, es entkommt!“
Tinchena stellte sich breitbeinig auf, fuchtelte mit dem linken Arm in der Luft herum und beschrieb damit etwas Quadratisches. Dann schnellte ihr rechter Arm nach vorne. Haggy hatte erwartet, dass das Auge an irgendeiner Stelle Feuer fangen würde, doch stattdessen entstand aus dem Nichts heraus ein Käfig, der in der Luft schwirrte und das Auge eingefangen hatte. „Juchhuuu!“, jubilierte Tinchena. „Wie hast du das denn gemacht?“, fragte Haggy verdutzt. „Keine Ahnung“, antwortete sie, „ich wollte mal was Neues ausprobieren!“ „Gute Arbeit, Tinch“, meinte Otto und lief zu dem Kasten, dessen Stäbe aus Dunkelmagie lila leuchteten und somit zur Farbe des Auges passten. Das Auge sah sich hektisch um, doch es fand keinen Ausweg. Dann sah es so aus, als ob ein Lid sich vor das Auge legen würde, und als es komplett geschlossen war, zerfiel es zu Staub. Daraufhin verschwand auch der Kasten wieder, und der Staub fiel zu Boden.
„Ist es tot?“, fragte Bong und lief zur Absturzstelle. Er trat vorsichtig auf das kleine Häuflein Staub, das übrig geblieben war. „Es ist zu Staub zerfallen, also ja, denke ich“, sprach Otto. „Diese Hütte ist voller Überraschungen“, sagte Haggy und ergänzte: „Dann lasst uns weitergehen, aber … na, ihr wisst schon. Haltet die Augen offen!“
Auch die anderen näherten sich der Stelle, auf die der Staub gefallen war. Haggy streckte seinen rechten Arm so weit wie möglich aus, wobei er mit dem Elfenlicht den weiteren Verlauf des Ganges auszuleuchten versuchte. Er kniff die Augen zusammen, um seinen Blick zu fokussieren, doch erkannte er nichts außer purer Dunkelheit. Nur halb bemerkte er, dass der Druck unter seinem rechten
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