Zwergensturm
war so kräftig, dass der Kolben auch noch in das zweite Skelett eindrang und es glatt durchtrennte.
Beide Skelette fielen ineinander. Thrylas und Wynlana sahen sich entsetzt an. Tinchena schluchzte kaum hörbar. Haggy legte einen Arm um sie und drückte sie an sich: „Alles in Ordnung, meine Kleine?“, fragte er sie voller Sorge. „Ja, ja, schon gut“, antwortete sie und schluchzte ein letztes Mal, kaum hörbar, bevor sie fortfuhr: „Ich möchte nur wissen, wer so etwas anderen antut.“
Haggy sparte sich die Frage nach den Details. Er wollte Tinchena damit nicht mehr belasten, als sie es ohnehin schon war. Außerdem hatten sie eine Aufgabe zu erfüllen.
Ein höhnisches Gelächter erklang. Zuerst deutlich hörbar, doch dann unerträglich laut. Bong hatte sich wieder gefangen und blickte sich hektisch um. Es kam aus dem gegenüberliegenden Gang.
Von dort betrat eine andere Gestalt den Raum. Sie war fast durchsichtig, bestand mehr aus Schemen denn aus Fleisch und Knochen. „Wie hat euch mein kleiner Test gefallen?“, raunte die Gestalt, und ihre Stimme klang hohl. Nur kurz setzte sie ihr höhnisches Gelächter aus, um diese Frage zu stellen.
„Ist er das?“, flüsterte Otto Thrylas zu. Der sprach: „Wer? Der Dämon? Nein, das ist kein Dämon, soviel ich weiß.“ Sofort fixierte die Gestalt die beiden und sagte mit gedehnter Stimme: „Nein, ein Dämon bin ich nicht. Aber vielleicht werdet ihr euch bald wünschen, dass ich einer wäre.“ Sie betonte jedes einzelne der unheimlichen Worte.
Zahrin ging einen Schritt auf sie zu und begutachtete sie. Dann atmete sie aus, und es klang genervt. Sie sagte: „Ich weiß nicht, wer du bist , und ich weiß nicht, was du bist. Es ist mir auch scheißegal. Wir sind hier, um den Dämonenlord zur Rechenschaft zu ziehen, und das ist es, was wir machen werden. Also, wenn du es nicht bist, wo ist der Hund?“ Haggy stockte der Atem, und zu seiner Überraschung schien es der Gestalt genauso zu ergehen. Zahrin sah diese mit offener Ungeduld an.
Die Gestalt fixierte Zahrin: „Ihr seid unverschämt. Ihr wisst ja nicht, mit wem ihr es zu tun habt. Ich bin das Wissen, das Wissen der ganzen Welt.“
Thrylas rief erschrocken aus: „Ein Wissensgeist! Verflucht noch einmal, auch das noch!“ Tinchena sah ihn mit fragendem Blick an: „Ein was?“ „Ein Wissensgeist“, antwortete Thrylas, „ein Geist, der alles Wissen der Welt in sich vereinigt. Er kann eine Verbindung zu den Gehirnen aller Lebewesen herstellen, kann ihr Wissen anzapfen, von ihren Erfahrungen lernen und selbst aus ihren Gefühlen Schlüsse ziehen. Er kann auch …“, Thrylas hielt kurz inne, „seine Opfer an seinem Wissen teilhaben lassen, was im Normalfall …“ Der Geist unterbrach ihn und vollendete den Satz: „… zum sofortigen Tod des Opfers führt. Das allgegenwärtige Wissen ist zu viel für eure sterblichen Hirne.“ „Na, sagen wir es mal so“, wagte Wynlana einzuwenden, „wenn sich durch massive Neuerfahrungen Millionen von Synapsen im Hirn gleichzeitig bilden, kann das zum Zusammenbruch der Hirnaktivität führen.“
Haggy verstand kein Wort. Auch Zahrin und Otto sahen sich fragend an, nur Tinchena nickte. „Sag ich doch“, merkte der Wissensgeist an. „Wer ist denn dieses vorlaute elfische Geschöpf? Möchtest du mein erstes Opfer sein … Wynlana?“
„Oha, er kennt sogar deinen Namen“, nickte Tinchena anerkennend. Wynlana wich, das Gesicht voller Sorgenfalten, einen Schritt zurück. Vorsichtig stocherte Bong mit seiner Waffe in d ie Schemen hinein, doch sie durchschnitt den Geist einfach. Hilflos ließ er sein Schwert und seinen Schild herabhängen; gegen diesen Gegner war er machtlos.
Der Geist glitt vorwärts und glatt durch Bong hindurch. In dem Moment, in dem das geschah, überwältige Bong eine Vielzahl von Eindrücken und Erfahrungen. Er sah Landschaften, die er nie zuvor gesehen hatte, Menschen, die er nicht kannte. Einige lachten, andere weinten oder trauerten. Alles ging so schnell, dass sein Kopf zu explodieren drohte. Er ließ Schild und Schwert fallen und wollte seinen Schädel mit bloßen Händen abschirmen. Er sank zu Boden, doch erst als der Geist komplett durch ihn hindurchgeschritten war, ließ der Sturm in seinem Gehirn nach. Trotzdem war er so überwältigt davon, dass er es nicht vermochte, aufzustehen.
Der Geist näherte sich Wynlana. Thrylas sah ihn entsetzt an. Er suchte nach Worten, wollte sich opfern, um Wynlana zu retten, doch er wusste, dass das
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