Zweyer, Jan - Rainer Esch 01
das kommt davon, wenn ich mitten in der Nacht…«
»Halt keine Volksreden! Kommst du nun, oder nicht?«
»Bin gleich da.«
»Hoffentlich.« Sie legte abrupt auf.
Esch rekapitulierte seinen Alkoholkonsum seit dem Vormittag, rechnete großzügig mit 0,1 Promille pro Stunde und bestellte ein Taxi. Hoffentlich, dachte er, wird das nicht zur Regel. Dann könnte er gleich das Geld, das er in langen Recklinghäuser Nächten verdiente, beim Taxiunternehmer liegen lassen. Als Anzahlung für seine Privatfahrten gewissermaßen.
Als Rainer vor der Haustür zu Klaus Westhoffs Wohnung stand, wurde ihm schlagartig klar, daß es Ärger geben würde.
Resignierend zog er die Schultern hoch und betrat das Treppenhaus. Er schellte an der Wohnungstür und wartete, bis Stefanie ihm öffnete.
»Toll, daß du endlich da bist.« Stefanie war eindeutig sauer.
»Scheiße, hast du schon wieder getrunken?«
»Nur etwas.«
»Deine Fahne riecht man ja bis Herne. Kannst du eigentlich nicht ohne Alkohol auskommen?«
»Ja, ja, ist ja schon gut. Ich habe die Stones gehört und dabei die Zeit vergessen. Außerdem war nichts anderes im Haus.«
Ihm war irgendwie klar, daß das nicht unbedingt die beste Entschuldigung war.
Und prompt reagierte Stefanie: »Ich glaube, mein Schwein pfeift. Du hast sie ja wohl nicht alle. Eine dämlichere Ausrede habe ich noch nie gehört. Aber das scheint bei Alkoholikern ja wohl so üblich zu sein.«
»Jetzt mach mal halblang. Du wirst mich doch wohl nicht als Alkoholiker bezeichnen. Ich habe doch nur ein paar Glas Wein getrunken. Deshalb bin ich doch noch lange kein Alk«, verteidigte er sich.
»Das hab ich so auch nicht gesagt.«
»Natürlich hast du das.«
»Aber nicht so gemeint.« Sie mußte immer das letzte Wort haben. Langsam, aber sicher ging Rainer das auf den Senkel.
Trotzdem war es klüger einzulenken.
»Okay. Tut mir leid. Also, was wollen wir jetzt hier machen?«
»Was wohl? Suchen natürlich.« Sie war immer noch nicht besänftigt.
»Und wonach genau?«
»Mensch, stell dich doch nicht so dämlich an. Nach einem Abschiedsbrief, zum Beispiel. Oder irgendwas anderem.
Irgendwas, aus dem hervorgeht, warum Klaus sich umgebracht hat.«
»Aha. Und wo fangen wir an? Im Wohnzimmer oder im Schlafzimmer?«
»Ist mir scheißegal. Los, fang einfach an.«
Wie die Polizeibeamten einige Tage zuvor, stellten sie die Wohnung auf den Kopf. Aber wie diese fanden auch sie nichts Brauchbares. Stefanie schmiß nach zweistündiger Suche verzweifelt den Ordner mit Klaus Westhoffs Kontoauszügen in die Ecke.
»Verdammt noch mal, irgendwo muß hier doch was sein.«
Sie sah ihren Freund traurig und zornig zugleich an. »Was ist mit dem Computer? Hast du dich schon darum gekümmert?«
»Eigentlich solltest du wissen, daß ein Computer und ich natürliche Feinde sind. Ich kann die Dinger nicht ausstehen, geschweige denn bedienen.«
»Kannst du denn überhaupt irgend etwas?« fragte Stefanie wütend.
»Und ob ich das kann. Ich kann den ganzen Quatsch hier sein lassen, nach Hause fahren oder in die nächste Kneipe gehen.
Und dabei ist es mir völlig egal, was du darüber denkst«, schrie er plötzlich los. Jetzt war es an ihm, wütend zu sein.
»Bitte entschuldige. Ich weiß, ich bin unausstehlich. Aber mir geht die ganze Sache ziemlich an die Nieren.
Glaub mir, ich brauche dich wirklich. Und jetzt«, sie legte ihre Arme um seinen Hals, »laß uns den Abend ohne Streit beenden.«
Auf dem Weg zu ihrer Wohnung machte es sich Esch auf dem Beifahrersitz so bequem, wie es in einem Opel-Corsa eben möglich war, und träumte den außerordentlich angenehmen Traum von Sex mit Stefanie. In Gedanken streichelte er gerade ihre Oberschenkel, als Stefanie mit nur einer Bemerkung seine Vorstellungen über den Rest des Abends zu Grabe trug.
»Sag mal, Rainer, ob sich wohl der türkische Freund von Klaus mit Computern auskennt?«
»Was? Wie kommst du denn ausgerechnet jetzt darauf?« Die Seifenblase in seinem Kopf zerplatzte.
»Ich mein ja nur. Ob der was von den Dingern versteht?«
»Warum denn ausgerechnet der? Wir kennen doch genug Leute, die so ‘ne Kiste in ihrer Wohnung rumstehen haben und nichts Besseres damit anfangen, als Videokassetten zu katalogisieren, auf denen Filme drauf sind, die sie sich sowieso nie mehr ansehen. Laß uns die doch fragen.« Ein unbestimmtes Gefühl der Eifersucht kroch in Rainer hoch.
»Weiß nicht.«
»Wie, weiß nicht?« Er hatte langsam den Eindruck, daß die Situation
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