Zweyer, Jan - Rainer Esch 01
Namen haben wir mit der Maschine schon eingesetzt. Du kannst sofort loslegen. Fahr auf deinen alten Pütt, und du wirst sehen, du machst die große Kohle.
Übrigens…«, der Kollege erhob sich, »… nächste Woche findet hier im Kulturzentrum eine Anteilseignerversammlung von Take off statt. Die Einladung ist im Umschlag. Du solltest kommen. Da bekommst du Tips, wie man neue Eigner wirbt.
Viel Glück.« Beim Hinausgehen drehte sich der Kumpel noch mal um und zeigte auf den Kaffee, der auf dem Tisch stand.
»Übernimmst du den? Ich hab’s eilig. Mach’s gut.«
»Ja, bis dann.«
Cengiz war perplex. So schnell war er noch nie 2.000 DM
losgeworden. Und fast noch mehr als die Abgezocktheit bei dem Verkauf von Take off- Anteilen ärgerte ihn die Dreistigkeit, mit der der Kerl sich um die Bezahlung des Kaffees drückte.
Wütend legte Kaya vier Mark auf den Tisch und verließ leise vor sich hin fluchend die Eisdiele, bog in die Bahnhofstraße ein und machte sich auf den Fußweg nach Hause.
21
Der Versuch, aus Finke brauchbare Informationen über Take off herauszuholen, war ein völliger Reinfall gewesen. Frustriert stand Esch vor dem Hochhaus und überlegte, was er nun tun sollte. Er war mittlerweile seit mehr als zwölf Stunden unterwegs, und die Rückfahrt ins Ruhrgebiet würde mindestens sieben Stunden beanspruchen, vorausgesetzt, er würde nicht im Stau stehen. Und Staus waren auf den überfüllten Autobahnen in Ost-West-Richtung die Regel, nicht die Ausnahme. Da spielte es auch keine Rolle, ob er die Nordroute über Berlin benutzen oder die Südroute über Dresden vorziehen würde. Einer plötzlichen Eingebung folgend, ließ sich Rainer wieder in der Pinte an der Ecke nieder, die er vor einer guten halben Stunde verlassen hatte.
»Na, gefunden?« fragte ihn der Kellner. »Wieder ein großes Radeberger?«
»Erstens: ja, danke. Zweitens: nein, diesmal ein Warsteiner.
Aber groß trotzdem.«
Der Kellner schob ab, um das Bier zu holen.
Als das Pils serviert wurde, bestellte sich Esch sofort ein neues.
»Sie scheinen ja großen Durst zu haben«, amüsierte sich der Ober.
»So isses.«
Zwei weitere Pils später war Esch klar, daß sich die heutige Heimfahrt erledigt hatte. Er bezahlte und fragte, ob es in Hoyerswerda denn schon Hotels gebe.
»Wir leben doch hier nicht hinterm Mond. Wenn Sie dort geradeaus gehen«, der Kellner wies in eine Richtung zwischen dem Einkaufscenter und einer Art Stadthalle, »kommen Sie da vorne an eine große Straße. Die fahren Sie«, der Ober korrigierte sich, »nein, besser gehen Sie links runter. So lange, bis Sie rechts das Achat-Hotel sehen. Ist nicht weit. Höchstens zehn Minuten. Und, nichts für ungut, auch nicht übermäßig teuer.«
Das Achat fand Rainer ohne Schwierigkeiten. Und ebenso problemlos bezog er ein Zimmer. Zwar haßte er es, morgens wieder in die Unterwäsche des Vortages steigen zu müssen, aber in der Not… Und die Hotelbar war wie geschaffen für einen kleinen Absacker.
Als Rainer am nächsten Morgen aufwachte, spürte er den bekannten, schalen Geschmack im Mund. Zwar warteten im Badezimmer Shampoo und Seife auf den vergeßlichen Gast, Zahnbürste und Zahnpaste suchte er jedoch vergeblich. Er sondierte deshalb die nichtalkoholischen Getränke der Minibar, um den Geschmack zu bekämpfen; leider nur mit dem Erfolg, daß seine Hotelrechnung drastisch anstieg.
Erst mit dem Frühstück kehrten auch Rainers Lebensgeister zurück. Er versuchte sich zu erinnern, wo er seinen Golf gestern nachmittag abgestellt hatte, und hoffte, nachdem es ihm wieder eingefallen war, daß er nun zwischen all den gleich aussehenden Plattenbauten auch den Parkplatz wiederfinden würde.
Nach einer rund einstündigen Odyssee durch die Neustadt Hoyerswerdas stand Esch auf einem Parkplatz, von dem er hoffte, daß es der richtige sei. Suchend ging er die Reihen abgestellter Fahrzeuge entlang und dachte daran, daß vor der Wende hier vermutlich nur Trabbis, Wartburgs und Barkas, seltener ein Lada geparkt hatten. Damals hätte er seine Rostschleuder auf Anhieb gefunden, aber nachdem auch die ehemaligen Traditionsmarken der DDR-Fahrzeugindustrie abgewickelt worden waren, standen hier fast ausschließlich Westprodukte. Trabbis und Wartburgs waren zu Liebhaberfahrzeugen mutiert.
Endlich glaubte er, seine Karre drei Reihen weiter entdeckt zu haben, als ihm ein Mann auffiel, der ihn mächtig an Finke erinnerte. Esch drückte sich hinter einen VW-Bus und beobachtete den Mann durch
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