Zweyer, Jan - Rainer Esch 03
hat Blut-und Gewebereste am Boden vor dem Schaltkasten und in den Schleifspuren gefunden, die eindeutig von Schattler stammen. Das Pickeisen war stumpf, also gebraucht. Auch am Pickeisen befanden sich Blut und einzelne Haare. Zweifellos die Tatwaffe. Leider keine brauchbaren Fingerabdrücke. Am hinteren unteren Teil des Helmes finden sich Abriebspuren von Metall, die von dem Tatwerkzeug stammen. Auf der Folie, mit der Schattler zugedeckt war, wurden mehrere brauchbare Fingerabdrücke entdeckt. Die können vom Täter, aber ebenso gut von den Bergleuten stammen, die zuletzt mit der Wetterfolie gearbeitet haben.« Baumann legte einen Stapel Fotos auf den Schreibtisch. »Die Bilder sind nicht die besten. Es fehlte dem Fotografen eben an Erfahrung mit der Untertage-Fotografie.
Und an ausreichendem Licht.«
»Sonst noch was?«
»Die Spurensicherung hat Gewebeproben von Schattlers Arbeitsanzug genommen und auch vom Kohlenstaub, der auf seiner Kleidung war.«
»Na toll. Das bringt uns wirklich ein riesiges Stück weiter.
Dann können wir ja jetzt alle 236 Arbeitsanzüge untersuchen lassen, ob sich auf einem von ihnen Gewebe von Schattlers Arbeitsanzug befindet.«
»Chef, das dauert Monate, wenigstens.«
»Eben. Und selbst wenn wir was entdecken, was beweist das schon? Dass dieser Bergmann Schattler irgendwann eng auf die Pelle gerückt ist. Da werden wir Dutzende von Spuren finden. Denk an die Enge, wenn die alle dicht gedrängt im Förderkorb stehen. Das gilt auch für die Kohleproben. Die rennen doch alle da unten durch die Gegend, das geht da ja an manchen Ecken zu wie im Ameisenhaufen. Ich gehe jede Wette ein, unter den Schuhen von zehn Bergleuten kleben zwanzig verschiedene Sorten Kohlenstaub. Nee, das bringt uns nichts. Ich habe den Eindruck, wir kommen nur über das Motiv weiter. Wenn wir das Motiv für den Mord kennen, wissen wir wahrscheinlich auch, wer der Mörder ist.
Trotzdem werden wir natürlich auch unserer bisher einzigen Spur nachgehen. Den Fingerabdrücken.« Brischinsky dachte einen Moment nach. »Das erledigst du. Ich spreche später noch mit Humper. Wir müssen die Arbeitskollegen von Schattler verhören.«
»Oh nein, warum muss eigentlich immer ich…«
»Weil ich Hauptkommissar bin und du das erst noch werden willst. Also, schnapp dir die Liste der Beschäftigten von der Nachtschicht und nimm von jedem Fingerabdrücke. Ich will wissen, wer die Abdrücke auf der Folie hinterlassen hat.«
»Brischinsky, das dauert Tage«, beschwerte sich Baumann.
»Kannst du nicht mit HK Lohkamp sprechen, dass der uns noch einen Kollegen zusätzlich abstellt?«
»Kann ich, wird aber nicht viel nützen. Mach dir keine falschen Hoffnungen.«
»Seit ich bei der Polizei bin, habe ich alle Hoffnung fahren lassen«, erwiderte sein Assistent.
»Mit dieser Einstellung liegst du hier goldrichtig«, sagte Brischinsky, lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück und schloss die Augen.
10
»Das sind sie«, flüsterte Karin Schattler. »Aber Polle ist nicht dabei.«
Die Gruppe setzte sich in Bewegung und machte Anstalten, die Mont-Cenis-Straße zu überqueren. Esch tauchte hinter einem Regal ab. So konnte er den Schalter überblicken, war aber von draußen nicht zu sehen. Wenig später klingelte die Außenschelle.
Karin Schattler öffnete den Schalter. »Was wollt ihr denn schon wieder?«, fragte sie.
»Vier West, eine Camel und drei Cola. Aber die großen Flaschen«, bestellte ein Knirps, den Rainer auf höchstens elf oder zwölf Jahre schätzte.
Karin Schattler legte das Gewünschte auf die Theke. »31
Mark 40«, forderte sie.
»Bezahlt wird nicht«, zitierte der Kurze, ohne es zu wissen, Dario Fo. Die Umstehenden grinsten breit. »Oder es kommt Besuch.« Der Junge packte die Zigarettenschachteln ein und gab die drei Colaflaschen an seine Freunde weiter. »Bis später«, verabschiedete sich der Kleine spöttisch.
»Das war Dennis«, sagte Karin Schattler leise nach hinten.
»Ich glaube, er ist der kleine Bruder von Polle.«
Rainer wartete, bis sich die Gruppe vom Kiosk entfernt hatte, und schoss dann aus dem Laden. Die Kinder bewegten sich langsam Richtung Herner Innenstadt. Esch folgte ihnen. Die sechs Kids trugen alle ähnlich aussehende Klamotten, die eindeutig zu groß waren. Zwei hatten Baseballmützen auf dem Kopf, einer die Kopfhörer eines Walkman. Die jungen Erpresser tranken Cola, alberten herum und achteten nicht auf den Erwachsenen, der ihnen in etwa hundert Metern Entfernung
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