Zweyer, Jan - Rainer Esch 03
bitte. Das ist mein erstes Mandat. Eigentlich habe ich gehofft, dass das ein schöner, einfacher Verkehrsunfall mit hohem Streitwert sein würde.«
»Red keinen Quatsch, du Heulsuse. Freu dich lieber, dass ich aus alter Verbundenheit an dich gedacht habe. Und jetzt los.«
»Was ist mit meinem Honorar?«
»Krämerseele. Ich denke, du bist ein Organ der Rechtspflege und stellst deine Dienste auch unentgeltlich für die Verteidigung Unschuldiger und zur Unterstützung der Entrechteten und Erniedrigten zur Verfügung. Zumindest hast du früher in der Roten Zelle Jura so argumentiert.
Kapitalistenknecht«, schnaubte Rainer.
Rechtsanwalt Uwe Losper schwieg betreten und machte sich daran, den mehrfach gefalteten und leicht zerknitterten Zettel in eine halbwegs passable anwaltliche Vollmacht zu verwandeln.
Auf der Fahrt ins Gericht erklärte Rainer dem Anwalt die Hintergründe der richterlichen Überprüfung. Lospers Gesichtsfarbe wechselte erneut und wurde noch bleicher.
»Das klappt nie, das sag ich dir. Das kann nicht klappen.«
»Sei nicht so defätistisch. Notfalls machst du das über die Strafprozessordnung. Darin warst du doch immer absolute Sahne. Mach dir nicht ins Hemd. Übrigens, so rein gewichtsmäßig hast du aber so einiges zugelegt in den letzten Jahren, oder?«
Das gab Losper den Rest. Die verbleibende Fahrtstrecke zermarterte er sich das Hirn mit der Frage, wie er ohne Gefährdung seiner körperlichen und geistigen Integrität dieser schon fast biblischen Heimsuchung in Gestalt seines früheren Freundes Rainer Esch entfliehen konnte. Leider fiel ihm nichts ein.
Und so hielt Eschs roter Mazda vor dem Gerichtsgebäude und spuckte einen völlig aufgelösten Junganwalt und einen nur wenig zuversichtlicheren Rainer Esch aus. Von den beiden trat zumindest einer mit dem Ziel an, Cengiz Kaya aus den Fängen der geballten Staatsmacht zu befreien.
Die Vernehmung fand im Dienstzimmer des Richters statt und war nicht öffentlich.
»Du bleibst draußen«, sagte Uwe Losper zu Rainer Esch, der ihm in das Zimmer folgen wollte.
»Was heißt das, ich bleibe draußen? Kommt gar nicht in Frage.«
»Solche Verhandlungen sind immer nicht öffentlich. Du wirst doch wohl noch nicht vergessen haben, was das heißt.«
»Nee, hab ich in der Tat nicht. Aber du kannst mich doch als deinen Referendar ausgeben…?«
»Und dann meine Zulassung gleich wieder beim Landgericht abgeben? Nein, diesmal geht’s nicht so, wie du willst, finde dich damit ab und warte. Ich weiß zwar nicht, warum ich das hier überhaupt tue, aber ich mach’s. Nur damit wir uns klar verstehen: Das tue ich nicht für dich, kapiert?«
»Schon gut. Und jetzt hol meinen Freund da raus.«
Losper verschwand hinter der hohen, schweren Eichentür und Rainer nahm frustriert auf einer der Bänke im Flur Platz.
Als die Richterin Losper sah, meinte sie: »Die Vernehmung ist nicht öffentlich. Bitte warten Sie draußen.«
»Ich weiß«, antwortete der Anwalt. »Mein Name ist Losper.
Ich bin seit dem 15. als Anwalt im Bereich des Landgerichtes Bochum zugelassen. Ich vertrete Herrn Cengiz Kaya. Hier ist meine Vollmacht.« Er ging nach vorne und reichte der Richterin den Zettel.
»Na gut. Aber gewöhnen Sie sich daran, dass bei mir Termine einzuhalten sind. Also kein akademisches Viertelstündchen mehr, wie Sie es vielleicht noch von der Uni gewohnt sind.«
»Selbstverständlich, Frau Vorsitzende, ich hatte nur…«
»Ersparen Sie uns Ihre Erklärungen. Ich darf dann noch einmal beginnen…«
Cengiz hatte den kurzen Wortwechsel erstaunt verfolgt. Als sich Losper neben ihn setzte und sich leise vorstellte, fragte Kaya: »Wo ist Rainer?«
»Draußen«, erwiderte sein Anwalt knapp.
»… vertreten durch Herrn Rechtsanwalt… Uwe Losper, Börster Weg 3 in Recklinghausen, ausgewiesen durch anwaltliche Vollmacht vom…« Die Richterin schaute auf den Zettel. »Etwas unorthodox, Herr Anwalt. Normalerweise werden für so etwas Vordrucke benutzt. Denken Sie bitte daran.«
Losper nickte.
»… und für die Anklagevertretung Herr Staatsanwalt Karl Müller. Bitte, Herr Müller…«
Der Angesprochene räusperte sich und setzte seine zwei Zentner gewichtig in Szene. »Gegen Herrn Kaya besteht dringender Tatverdacht, Heinz Schattler in der Nacht vom 29.
Juni zum 30. Juni mit einer Eisenstange im untertägigen Grubenbetrieb des Bergwerkes Eiserner Kanzler in Recklinghausen erschlagen zu haben. Herr Kayas Fingerabdrücke waren auf einer Folie, mit der die
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