Zweyer, Jan - Rainer Esch 03
er sich dann finanziell drastisch einschränken müssen, die Zeit bis zum Referendariat in etwa ein bis zwei Jahren könnte er aber durch den Verkauf seines geliebten Mazdas und der Investmentfonds überbrücken. Natürlich müsste er seine Detektei aufgeben.
Wenn er es dann noch schaffen würde, seine Besuche im Drübbelken und bei seinem Lieblingsgriechen auf das absolut Notwendige zu beschränken, könnten die zusätzlichen Erlöse aus zwei, drei Nächten im Taxi am Wochenende auch mit zur Finanzierung des Repetitors beitragen.
Zunächst musste er sich aber um seinen Freund Cengiz Kaya kümmern, der irgendwann am morgigen Montag nach Deutschland zurückkehren würde mit der mehr oder weniger begründeten Hoffnung, dass Esch nebst anwaltlichem Freund Uwe Losper alle Schritte eingeleitet hätte, um eine erneute Inhaftierung zu verhindern.
Rainer war mittlerweile zu der Überzeugung gelangt, dass Icke bei den polizeilichen Vernehmungen ausgesagt haben musste. Nur so konnte er es sich erklären, dass Brischinsky von der Pokerrunde und Eschs Beobachtung wusste. Da die Recklinghäuser Kripo anscheinend aber immer noch von der Schuld Cengiz’ ausging, hatte Icke entweder die Erpressungen nicht zugegeben oder tatsächlich nichts mit dem Mord zu tun.
Also musste der berühmte, geheimnisvolle Dritte der Täter sein.
Esch grinste, was angesichts der noch vorhandenen Schwellungen in seinem Gesicht schmerzhaft war. Wie in einem drittklassigen Kriminalroman. Der Verdächtigte ist normalerweise nie der Täter.
Unmittelbar nachdem Schwester Sieglinde den Rest seines Mittagsbreies entsorgt hatte, begann Rainer sich anzuziehen.
Er konnte auch das rechte Auge wieder öffnen. Seine Oberlippe war noch leicht deformiert; dagegen waren die Wunden, die von den ausgegrabenen Zahnwurzeln stammten, schon weitgehend geschlossen. Allerdings bereiteten ihm seine dritte Rippe und die Hodenprellung nach wie vor Probleme beim Laufen und, wie sich nun herausstellte, auch bei dem Versuch, seine Jeans anzuziehen.
Rainer legte sich auf das Krankenbett und bemühte sich ohne allzu heftige und abrupte Bewegungen in sein Beinkleid zu gleiten. Als er seinen Hintern etwas hob und mit einem Ruck die letzten Zentimeter überwand, zuckte ein Schmerzblitz von seinen Weichteilen zur dritten Rippe. Mit zusammengebissenen Zähnen zog Rainer den Reißverschluss der Jeans zu und widmete sich der Frage, wie er schmerzfrei in seine Turnschuhe kommen sollte. Da ihm nichts einfallen wollte, blieb nur, es auf dem konventionellen Weg zu versuchen.
Der erste Versuch scheiterte im Ansatz. Rainer richtete sich stöhnend auf, holte tief Luft und beugte sich, den Schmerz nun ignorierend, erneut zu seinen Schuhen. Dann schnappte er sich seine Lederjacke und machte sich daran, unauffällig aus dem Krankenzimmer zu verschwinden.
Esch öffnete vorsichtig die Tür, steckte den Kopf durch den Spalt und orientierte sich. Seit seiner Einlieferung hatte er das Zimmer noch nicht verlassen. Auf dem Flur konnte er niemanden entdecken. Befriedigt schlüpfte Rainer aus dem Raum und beeilte sich, die Richtung einzuschlagen, in der er den Fahrstuhl vermutete. Zwei Flure weiter, kurz vor dem Treppenhaus, lief Rainer der Weißkittel über den Weg, der ihm gestern sein Süppchen gebracht hatte. Das war’s, dachte Rainer. Der Ausflug ist vorbei. Der Zivildienstleistende sah ihn jedoch nur erstaunt an, und als Esch ihm freundlich zunickte, grüßte er zurück.
Drei Minuten später stand Rainer vor der Hauptpforte des Krankenhauses. Er hatte Glück. Vor der Tür stand ein Taxi.
Esch öffnete die Beifahrertür und ließ sich stöhnend auf den Sitz sinken.
»Guten Tag. Haben Sie den Wagen bestellt?«, fragte der Fahrer.
»Tach. Natürlich. Hauptpost Herne, bitte.«
»Die hat aber zu. Heute ist Sonntag.«
»Mensch, das weiß ich auch«, brauste Rainer auf. »Fahren Sie.«
Beleidigt startete der Kutscher das Taxi und chauffierte den malträtierten Esch zur Hauptpost.
Sein Mazda stand noch da, wo er ihn abgestellt hatte.
Allerdings hatte ihm eine fleißige Politesse ein Strafmandat hinter den Scheibenwischer geklemmt. Knurrend steckte Rainer den Wisch in seine Jackentasche. Darum sollte sich Uwe kümmern. Schließlich war er Opfer eines Gewaltverbrechens geworden und völlig schuldlos in die Situation geraten, sein Fahrzeug mehrere Tage im absoluten Halteverbot stehen lassen zu müssen. Das galt es bei der Bewertung seines Vergehens zu berücksichtigen.
Vorsichtig versuchte
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