Zweyer, Jan - Rainer
bildeten sich große, dunkle Flecken. Sein Hemd klebte am Rücken. Und er schaufelte missmutig lauwarme, völlig vermatschte Kartoffelstäbchen in sich hinein, während er auf ein Haus starrte, vor dem sich nichts ereignete.
Polizistenleben!
57
Sie haben nie eine Tochter gehabt. Als Brischinsky diesen Satz ausgesprochen hatte, war Schmidt der Gedanke gekommen.
Und je länger er darüber nachgrübelte, umso sicherer wurde er in seinem Entschluss.
Er war sich darüber im Klaren, dass die Polizei seine Wohnung überwachte. Deshalb wollte er kein Risiko eingehen.
Wenn die Bullen Wind davon bekamen, dass er sich nicht an die richterlichen Auflagen hielt, würde der Haftbefehl gegen ihn sofort wieder in Kraft gesetzt. Das hatte ihm der Robenträger bei dem Haftprüfungstermin unmissverständlich mit auf den Weg gegeben. Er musste also vorsichtig sein.
Zunächst programmierte er die Rufweiterschaltung seines stationären Telefons so, dass alle ankommenden Anrufe auf sein Handy umgeleitet wurden. Sollte die Polizei telefonisch Kontakt zu ihm aufnehmen wollen, konnte er das Gespräch entgegennehmen. Er verstaute einen klappbaren Campingspaten in einen kleinen Rucksack. Dann verband er die Stromzufuhr des Fernsehgerätes und die von zwei Stehlampen mit Zeitschaltuhren. Pünktlich zur Tagesschau würde der Apparat anspringen und etwas später, wenn es dämmerte, auch die Beleuchtung. Schmidt hoffte, durch diese Maßnahme Zeit zu gewinnen.
Er sah auf die Uhr. Noch vier Minuten. Er musste sich beeilen und griff zu dem Rucksack. Über eine Treppe gelangte er in das Untergeschoss. Die Zwischentür zu den Kellerräumen der Ländbachs war nie verschlossen. Zu der Tür, die von dort nach draußen in den von der Straße her nicht einsehbaren Garten führte, hatte er einen Schlüssel. Während der Abwesenheit seiner Vermieter hatte er das Mähen des Rasens und die Bewässerung der Pflanzen übernommen, und die dafür erforderlichen Gerätschaften befanden sich im Keller.
So war es für Schmidt ein Leichtes, ungesehen das Nachbargrundstück und von dort die Straße und die Bushaltestelle zu erreichen. Er hatte die erforderliche Zeit richtig kalkuliert. Der Bus fuhr genau in dem Moment vor, als er auf die Straße trat.
Dreißig Minuten benötigte er bis zum Hauptbahnhof, dann nahm er die S-Bahn Richtung Düsseldorf. Knapp eine Stunde, nachdem er seine Wohnung verlassen hatte, stand Peter Schmidt im Büro einer Mietwagenfirma am Flughafen und charterte einen BMW. Nach weiteren zehn Minuten warf er den Rucksack auf den Rücksitz des Wagens, startete das Fahrzeug und war auf dem Weg Richtung Witten.
Sie haben nie eine Tochter gehabt. Diese sechs Worte waren sein Untergang gewesen. Er verspürte einen brennenden Hass auf Hendrikson, der ihn zum Handeln zwang. Einen tödlichen Hass.
Schmidt umfuhr die Wittener Innenstadt, überquerte die Ruhrbrücke und bog dann scharf rechts Richtung Muttental ab.
Er parkte den BMW in der Nähe des Bethauses, wartete, bis keine Spaziergänger mehr in der Nähe waren, und schlug sich dann, mit dem Spaten bewaffnet, in das Unterholz.
Vor einer mächtigen Eiche, etwa hundert Meter vom Bethaus entfernt, blieb er stehen. Er musste sich orientieren, sich erinnern. Da drüben wuchs die Blutbuche, dort eine weitere Eiche. Ja, das war die Stelle. Obwohl die damalige Lichtung mittlerweile weitgehend zugewachsen war. Er hatte das Versteck wiedergefunden. Und das nach fast fünf Jahren.
Schmidt kämpfte sich durch die fast mannshohen Büsche.
Zweige schlugen ihm ins Gesicht. Er ignorierte den kurzen Schmerz. Noch wenige Schritte, dann war er am Ziel. Genau im Mittelpunkt des Dreiecks, das die drei alten Bäume bildeten, blieb er stehen. Hier war es. Hier hatte er sie verscharrt. Er schlug mit dem Spaten einige Brennnesseln nieder, die hier besonders üppig wuchsen, und begann zu graben. In etwa fünfzig Zentimeter Tiefe fand er das Gesuchte.
Sorgfältig in einem blauen Müllbeutel vor Feuchtigkeit geschützt. Schmidt sah sich um. Niemand war in der Nähe. Er bückte sich, griff nach seinem Fund und zog ihn aus dem Loch. Mit der Linken wischte er die Erdreste ab, die an dem Beutel klebten. Dann riss er die Schutzhülle von der Holzkiste.
Sie sah noch genauso aus wie an dem Tag, als er sie hier versteckt hatte. Er öffnete sie und griff nach dem Gegenstand, der in öliges Wachspapier eingewickelt war. Die Kiste ließ er achtlos fallen und schlug das Papier auseinander. Mattschwarz und glänzend lag
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