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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Er betrachtete uns mit unverhohlener Verachtung, und mir stockte der Atem, denn unter seiner menschlichen Hülle verbarg sich ein Troll — der bösartigste Troll, den ich je gesehen hatte.
    Vielleicht hätte mir schon eher der Gedanke kommen müssen, daß eine Stadt wie Yontsdown von Trollen regiert würde. Aber die Vorstellung, daß Menschen unter dem Schreckensregiment dieser Kreaturen leben mußten, war so fürchterlich, daß ich sie gar nicht erst in Erwägung gezogen hatte.
    Ich weiß bis heute nicht, wie es mir gelungen ist, meinen Schock, meinen Abscheu und mein Wissen um Kelskos Geheimnis zu verbergen. Meine Hände hatten sich unwillkürlich zu Fäusten geballt, während ich wie vom Blitz getroffen neben Luke stand. Ich hatte das Gefühl, mich genausowenig verstellen zu können wie eine Katze mit angelegten Ohren, Buckel und aufgestellten Haaren, und ich war überzeugt davon, daß Kelsko meinen Widerwillen bemerken und sofort den Grund dafür erkennen würde. Aber das war nicht der Fall. Er beachtete mich und Luke kaum. Seine Aufmerksamkeit konzentrierte sich ausschließlich auf Jelly.
    Kelsko war Anfang Fünfzig, etwa 1,80 m groß und korpulent, mit mindestens vierzig Pfund Übergewicht. Er trug eine khakifarbene Uniform, aber keinen Revolver. Er hatte einen stahlgrauen Bürstenhaarschnitt, und das kantige Gesicht zeugte von Härte und Rücksichtslosigkeit. Die buschigen Brauen wuchsen über der breiten Nase zusammen, und der Mund war extrem schmallippig.
    Der in Kelsko verborgene Troll war ebenfalls keine Augenweide. Mir ist freilich nie einer dieser Unholde begegnet, der nicht scheußlich ausgesehen hätte, aber manche sind doch weniger abstoßend als andere. Manche haben nicht ganz so wilde Augen, nicht ganz so scharfe Zähne, nicht ganz so raubtierhafte Fratzen wie ihre furchterregenderen Artgenossen. (Diese feinen Unterschiede im Aussehen der Trolle bewiesen meiner Meinung nach, daß sie tatsächlich existierten, daß sie nicht nur Ausgeburten meines kranken Hirns waren; denn wenn ich sie mir nur einbildete, würden sie doch wohl alle gleich aussehen. Oder etwa nicht?) Das dämonische Wesen in Kelsko hatte rote Augen, die nicht einfach nur vor Haß sprühten, sondern sozusagen blanker Haß in Reinkultur waren, verzehrender und blindwütiger, als ich es je zuvor gesehen hatte. Die käfergrüne Haut um die Augen herum war rissig und durch Narbengewebe verdickt. Die wabbelige Schweineschnauze wirkte noch abstoßender durch faltige Hautlappen an den Nasenlöchern, die bei jedem Atemzug flatterten und möglicherweise eine Alterserscheinung waren. Und tatsächlich ging von diesem Monster eine Aura unglaublichen Alters aus, eines Alters, gegen das selbst die Pyramiden modern waren; und untrennbar damit verbunden war eine Aura des Bösen — intensive Haßgefühle und mörderische Absichten, in Jahrtausenden zur Weißglut entflammt, so daß auch die geringste Möglichkeit eines mitleidigen oder unschuldigen Gedankens sich schon vor langer Zeit verflüchtigt hatte.
    Jelly spielte die Rolle eines schmeichelnden ›Flickschneiders‹ mit Begeisterung und enormem Geschick, und Lisle Kelsko tat so, als wäre er nichts weiter als ein hoffnungslos engstirniger, korrupter, kaltschnäuziger, autoritärer Bulle im Kohlerevier. Jelly war sehr überzeugend, aber das Kelsko verkörpernde Wesen hätte einen Oscar verdient. Manchmal war seine Vorstellung so perfekt, daß seine menschliche Glasur sogar für mich fast undurchsichtig wurde, daß der Troll unterhalb des menschlichen Fleisches zu einem amorphen Schatten verblaßte und ich mich anstrengen mußte, um ihn wieder scharf ins Blickfeld zu bekommen.
    Unsere Situation wurde in meinen Augen noch unerträglicher, als eine Minute nach uns ein Polizist in Uniform den Raum betrat und die Tür schloß. Auch er war ein Troll, der sich als etwa dreißigjähriger großer, schlanker Mann mit dichtem braunem Haar und attraktivem, italienisch anmutendem Gesicht tarnte. Dieser Unhold war zwar ebenfalls furchterregend, aber doch bei weitem nicht so abstoßend wie das Monster in Kelsko.
    Als die Tür laut ins Schloß fiel, zuckte ich unwillkürlich zusammen, und Polizeichef Kelsko, der sich nicht die Mühe gemacht hatte, zu unserer Begrüßung aufzustehen, und der auf Jellys liebenswürdiges Geplauder mit kalten Blicken und knappen unfreundlichen Bemerkungen reagierte, warf mir hinter dem Schreibtisch hervor einen forschenden Blick zu.
    Offenbar war mir meine Verstörung einen Moment

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