Zwielicht
lang deutlich anzusehen, denn Luke gab mir rasch durch ein Zwinkern zu verstehen, daß alles in bester Ordnung wäre. Als der junge Polizist sich mit verschränkten Armen in einer Ecke postierte, wo ich ihn im Auge behalten konnte, entspannte ich mich ein wenig, obwohl ich mich alles andere als wohl in meiner Haut fühlte.
Nie zuvor war ich mit zwei Trollen in einem Raum gewesen, geschweige denn mit zwei als Bullen getarnten Trollen, von denen einer auch noch eine geladene Pistole hatte. Ich wollte mich auf sie stürzen; ich wollte in die verhaßten Gesichter schlagen; ich wollte wegrennen; ich wollte mein Stiefelmesser zücken und in Kelskos Kehle stoßen; ich wollte schreien; ich wollte mich übergeben; ich wollte mir den Revolver des jungen Polizisten schnappen, ihm das Hirn wegpusten und Kelsko ein paar Schüsse in die Brust jagen. Doch mir blieb nichts anderes übrig als neben Luke zu stehen, meine Furcht zu verbergen und möglichst einschüchternd dreinzuschauen.
Das Treffen dauerte nicht einmal zehn Minuten und war bei weitem nicht so schlimm, wie Jelly mich glauben gemacht hatte. Kelsko provozierte uns nicht besonders, und er demütigte und verhöhnte uns auch nicht in dem von mir erwarteten Ausmaß. Er war nicht so sarkastisch, grob, streitsüchtig, beleidigend und bedrohlich wie der Kelsko in Jellys farbigen Schilderungen. Gewiß, er war eisig und arrogant, und er zeigte unverhohlen seinen Widerwillen gegen uns. Gewiß, er strahlte enorme Gewalttätigkeit aus, wie eine Hochspannungsleitung, und wenn wir die Isolierung durch geringsten Widerspruch oder irgendeine beleidigende Äußerung durchbrochen hätten, wäre ein verheerender Stromschlag die sichere Folge gewesen. Aber wir blieben demütig und unterwürfig, Jelly legte den Geldumschlag auf den Schreibtisch und überreichte die Hüllen mit den Freikarten, während er sich nach der Familie des Polizeichefs erkundigte und Witze zum besten gab; in kürzester Zeit war alles erledigt, und wir wurden entlassen.
Wir gingen wieder den Korridor entlang, stiegen in den vierten Stock hinauf, der jetzt um die Mittagszeit wie ausgestorben war, und begaben uns in den Flügel, wo das Büro des Bürgermeisters untergebracht war. Zu meiner Verwunderung machte Jelly unterwegs eine immer besorgtere Miene.
Ich hingegen war so erleichtert, den Trollen entronnen zu sein, daß ich sagte: »Nun, das war doch gar nicht so schlimm.«
»Ja, und genau das macht mir Sorgen«, erwiderte Jelly.
»Mir auch«, meinte Luke.
»Was meinen Sie damit?« fragte ich.
»Es ging viel zu glatt«, erklärte Jelly. »In all den Jahren, seit ich Kelsko kenne, habe ich ihn noch nie so mild erlebt. Da stimmt etwas nicht.«
»Was denn?« erkundigte ich mich.
»Wenn ich das nur wüßte!«
»Er f-f-f-führt etwas im Sch-Schilde.«
»So ist es«, bestätigte Jelly.
Das Büro des Bürgermeisters war nicht so schlicht wie das des Polizeichefs. Der elegante Schreibtisch war aus Mahagoni, und die übrigen geschmackvollen und teuren Möbelstücke — im englischen Stil eines erstklassigen Klubs, mit jagdgrünem Leder bezogen — standen auf einem goldfarbenen Teppich. Die Wände waren mit Urkunden und mit Fotos Seiner Ehren bei allen möglichen Wohltätigkeitsveranstaltungen geziert.
Albert Spectorsky, gewähltes Oberhaupt von Yontsdown, war eine massige Erscheinung. Er trug einen konservativen blauen Anzug mit weißem Hemd und blauer Krawatte und hatte weichliche Gesichtszüge. Sein Vollmondgesicht und das Dreifachkinn unter dem breitlippigen Mund legten beredtes Zeugnis von seiner Vorliebe für reichliches Essen ab; und die geplatzten Äderchen, die seinen vollen Wangen und der Knollennase roten Glanz verliehen, deuteten darauf hin, daß er guten Whisky zu schätzen wußte. Irgendwie konnte man ihm auch ansehen — obwohl ich das nicht begründen konnte —, daß er ein Lüstling mit einer Vorliebe für Huren und sexuelle Perversionen war. Was ihm bei Wahlen zweifellos zugute kam, war sein herrlich warmes Lachen, ein joviales Auftreten und die Fähigkeit, so intensiv und teilnahmsvoll auf den Gesprächspartner einzugehen, daß dieser das Gefühl hatte, die wichtigste Person auf der Welt zu sein. Er war ein Typ, der gern Witze erzählte, Leuten auf die Schulter klopfte und Optimismus ausstrahlte. Und das alles war nur Blendwerk. Denn in Wirklichkeit war auch er ein Troll.
Bürgermeister Spectorsky ignorierte Luke und mich nicht, wie Kelsko es getan hatte. Er gab uns sogar die Hand.
Ich
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