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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David R. George III
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einzelne war notwendig gewesen, manchmal für das Gemeinwohl, manchmal für den kleinen Sieg, manchmal schlicht, um zu überleben. Doch nun, am Ende, entschied er sich gegen das Kämpfen. Hier war kein Feind. Stattdessen würde er tun, was er immer ge-wollt hatte: forschen.
    Vaughn öffnete seinen Geist. Er durchbrach die Mauern, durchbrach die Geheimhaltung, die Verleugnungen und Rationalisierungen. Während sein langer Tag dem Ende entgegeneilte, suchte er nach der Wahrheit, der Essenz seines Selbst.
    Wieder öffnete er die Augen, sah sich …
    … wie er die interdimensionalen Sprengsätze rings um den Wirbel an-brachte, bereit für einen einsamen Tod, ohne seinen Frieden mit seiner Tochter gemacht zu haben …
    … auf einem zerstörten Raumschiff und im Kontakt mit einem mysti-schen Gegenstand, der ihm zeigte, wie viel Sterben er erlebt hatte und dass der Tod ihm kein Begleiter war …
    … in einem Transporterraum stehen und die Liebe seines Lebens verabschieden, während er tat, als kehre sie zurück, und doch wusste, dass es nie so sein würde …
    … über den Leichnam einer Person gebeugt, die er getötet hatte, um andere zu retten, und erkennen, dass er sich in diesem Moment vom gesamten Rest der Menschheit entfernt hatte …
    … den Worten des Offiziers lauschen, der ihn auf diesen Weg gebracht hatte, und die Gemeinschaft der Unschuldigen verlassen …
    … in einem Krankenzimmer sitzen und die Hand meiner Mutter halten, die seine Welt gewesen war und ihn viel zu früh verlassen musste …
    … in ein Leben geboren werden, das wahre Zusammengehörigkeit versprach – des Geistes, des Körpers, des Herzens –, im Bestfall aber fast immer nur Isolation brachte …
    … und aus all diesen Momenten blickten Vaughns zu ihm zurück – zu ihm vor –, wie er durch den Gedankenraum fiel, aus einem Universum ins nächste stürzte, allein wie immer, doch so allein, wie nie zuvor. Vaughns Bewusstsein erstreckte sich über alle Momente, existierte gleichzeitig in ihnen und hier und überall dazwischen. Er sah alles gleichzeitig, wie es niemand müssen sollte: sein bisheriges, aktuelles und kommendes Dasein, stets getrennt von jedem anderen Wesen des Universums.
    Die Einsamkeit begann schon im Augenblick seiner Geburt und erstreckte sich über zahllose – Milliarden, Billionen – Momente ins Jetzt. Nicht immer präsent, aber meistens. Die Erkenntnis war niederschmetternd.
    Vaughn war im Begriff, zu sterben, doch nun wartete er darauf, dass der Tod eintrat.
    Er wartete und begriff, dass die Einsamkeit eine Lektion war, aus der er Lehren ziehen konnte. Hätte er überhaupt anders handeln können? Er suchte nach der Wahrheit in einem Dasein, das ihm allmählich entglitt.
    Das Leben, das ihn umgab und beseelte, schrie gegen die Isolation an, die es gar nicht gekannt hatte, bis unwissende Invasoren das Geschenk der Gemeinschaft mitgebracht hatten – und es wieder nahmen. Der Gedankenraum hatte die Prentara für Eindringlinge und Retter gehalten, hatte Dax gesagt, und nun begriff Vaughn den Grund. Selbst ein Folterknecht war Gesellschaft.
    Er wartete und dachte an das Gefängnis, zu dem die Heimat des Inamuri geworden war. Während er immer noch in jedem Moment seines Lebern existierte, schloss er die Augen und öffnete sie an dem Morgen, an dem er von zu Hause aufgebrochen war – nach dem Tod seiner Mutter, die ihn irgendwie mitgenommen hatte, oder nicht? Vaughn hatte stets forschen wollen, und nun erkannte er, dass er die Heimat, die er damals verließ, seitdem immer gesucht hatte.
    Er wartete und erkannte die Verbindungen, die diese Lehren darstellten.
    Der Lehrer und der Schüler. Der Gedankenraum hatte sich mit ihm verbunden.
    Höre mich , schrie Vaughn ohne Worte. Ich bin hier.
    Vaughn suchte nach den richtigen Momenten seines Lebens. Er sah in den Gedankenraum und auf alles, was er je gewesen war, je getan hatte, jede Sekunde lag vor ihm und führte zur nächsten. Er schloss die Augen und öffnete sie auf der Brücke der Defiant, als ihm Prynns Tod bewusst geworden war.

    Nicht das , dachte er mit schmerzendem Herzen. Nicht das.
    Erschloss die Augen und öffnete sie neben dem geschundenen Leib Ensign ch’Thanes, der in der flachen Ödnis eines toten Planeten lag.
    Nicht das , wiederholte er.
    Vaughn wollte nicht länger sterben. Er akzeptierte, dass er sich wieder für den Kampf entschieden hatte, für eine Verbindung, für so viele Lebens-momente wie ihm möglich waren. Er wartete nicht länger, sah auf die

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