Zwielicht
Kulturen auf Deep Space 9 zu öffnen und ihre Lebensweisen kennenzulernen. Nun, da der Jem’Hadar eine Weile auf der Station verbracht, aber wenig mehr getan hatte, als schweigend auf der Ops zu stehen und gelegentlich in die Schlacht zu ziehen – was meist ohnehin nur in den Holosuiten geschah –, wusste er, dass er aktiver werden musste. Er hatte Colonel Kira beim Kampf beobachtet – hier, im Delta-Quadranten und in der Holosuite – und vor dem Aufbruch der Defiant einige Tage an Bord des Schiffes verbracht, doch selbst das genügte nicht. Sogar der Colonel hatte ihm gegenüber erwähnt, es gebe mehr zu sehen als Ops und Holosuiten. Also hatte Taran’atar begonnen, die diversen Stations-sektoren abzugehen.
Zwei Personen kamen ihm entgegen: ein Mensch in Sternenflottenkleidung und eine Bajoranerin in Militäruniform. Er fragte sich, ob ihr Aufbruchsort sein Ziel war. Taran’atar achtete auf ihre Bewegungen, passte sich ihnen an und wich erst im letzten Moment zur Seite aus, um die beiden vorbeizulassen. Sie passierten ihn, ohne seine Anwesenheit zu bemerken. Verachtung wallte in ihm auf – diese Alpha-Kreaturen und ihre jämmerlichen Sinne –, doch die Stimme des Gründers in seinen Gedanken hielt dagegen: Verurteile sie nicht.
Erfahre und trachte danach, zu verstehen. Urteile kommen später. Er vertrieb das Paar aus seinen Gedanken und ging weiter.
Der erste Ort außerhalb der Ops, an dem Taran’atar das Leben im Alpha-Quadranten hatte »erfahren« wollen, war die Defiant gewesen. Nachdem Commander Vaughn ihn an Bord gebeten hatte, um Fragen über den Gamma-Quadranten zu beantworten, war er danach einfach für eine Weile dort geblieben und täglich zurückgekehrt, um das Schiff und die dort arbeitende Besatzung zu beobachten. Dann war ihm der Winzling begegnet, der Ferengi. Und der Ferengi hatte sich gefürchtet.
Zu Recht , dachte Taran’atar. Soldaten der Jem’Hadar hatten den Winzling verwundet und eines seiner Beine zerstört. Der Ferengi hatte die Überlegenheit der Jem’Hadar am eigenen Leib erfahren, entsprechend gerechtfertigt war seine Furcht. Doch Taran’atar verstand, dass die Begegnung mit ihm nicht dem Ziel entsprach, das dem Gründer für diese Mission vorschwebte. Taran’atar hatte Furcht verursacht und Verachtung für den jämmerlichen Winzling empfunden. Beides widersprach seiner eigentlichen Aufgabe. Er hatte versagt. Versagen war inakzeptabel.
Danach hatte er sich andere Orte und Aktivitäten ausgesucht, mit denen er ebenfalls nicht vertraut gewesen war. Einige von ihnen hatte er seitdem besichtigt – getarnt, um eine Wiederholung des Ferengi-Zwischenfalls zu vermeiden –, ein weiterer stand nun auf seinem Plan. Er kam an eine geschlossene Tür, hinter der sein Ziel lag.
Schweigend wartete er darauf, dass jemand ein- oder austrat.
Dreizehn Minuten und fünfunddreißig Sekunden später öffnete sich die Tür, und eine Menschenfrau in Sternenflottenkleidung kam heraus. »Okay, tschüss«, sagte sie, den Blick ins Rauminnere gerichtet. Taran’atar musterte sie instinktiv: Größe und Gewicht entsprachen dem Speziesdurchschnitt. Blondes Haar, grüne Augen und ein Kragen, dessen Blau sie den Wissenschaften zuordnete. Als sie aus dem Weg war, preschte Taran’atar vor und quetschte sich seitlich durch die sich schließende Tür. Sobald er drinnen war, sah er nach rechts und machte zwei lautlose Schritte zu einer freien Stelle nahe der Wand.
Der Raum war recht groß. Die ovalen Fenster in der hinteren Wand führten hinaus ins All und wurden von hohen Schränken flankiert. Der rechte Schrank war geschlossen, doch die Tür des linken stand offen. In ihm befanden sich bunte Gegenstände, die der Jem’Hadar nicht identifizieren konnte. Vor jedem Fenster stand ein Tisch, wobei der linke höher und kürzer als die anderen war. Im Zentrum des Raumes lagen Matten, Kissen und Decken herum, auf und zwischen denen neunzehn kleine Wesen herumtollten.
Kinder , dachte Taran’atar. Er begriff das Konzept, doch der tatsächliche Anblick wirkte befremdlich auf ihn. Zwei weitere Wesen – voll entwickelte Männer – standen an den Fenstern. Alle schienen bajoranischen oder menschlichen Ursprungs zu sein, obwohl zwei Kinder Merkmale beider Spezies aufwiesen.
Die Kinder waren kleiner, als er erwartet hatte. Über ihr Alter konnte er nicht einmal spekulieren. Wären sie Jem’Hadar, er hätte sie auf wenige Tage geschätzt, doch Menschen entwickelten sich deutlich langsamer. Ein Zeichen ihrer
Weitere Kostenlose Bücher