Zwielicht in Cordoba
ist.«
»Ein ziemlich hartes Urteil über meinen Charakter!«
»Und eine armselige Entschuldigung für Mord.«
»Ich habe für alles eine plausible Erklärung.«
»Natürlich haben Sie die. Es gibt immer Rechtfertigungen – und ich fürchte, am Ende werden Sie sogar selbst daran glauben.«
Wir standen nach wie vor am oberen Rand der Silberader. Quinctius trat abwesend zur Seite, als ein weiterer Strom von Sklaven die Leiter hinaufzuklettern begann, alle mit gesenktem Kopf und schwer beladen. Ich gab dem Quästor ein Zeichen, mit mir ein Stück weiterzugehen, wenn auch nur, um den armen Seelen Platz zu machen, aber er blieb wie angewurzelt stehen. Sie schafften es irgendwie, an ihm vorbeizukommen, dann kletterten andere die Leiter wieder hinunter, die meisten wie die Seemänner, mit dem Rücken zu den Sprossen und dem Gesicht nach vorne.
»Vielen Dank für Ihre Offenheit, Falco.« Quadratus fuhr sich mit der Hand durch das volle, modisch geschnittene Haar. Er sah beunruhigt aus, was vielleicht aber nur daran lag, daß er seine selbstauferlegte Mission der Minenüberprüfung unterbrechen mußte. »Ich werde das, was Sie gesagt haben, sehr sorgfältig überdenken und Ihnen dann für alles eine Erklärung geben.«
»Das reicht nicht. Hier handelt es sich um Kapitalverbrechen.«
Quadratus stand immer noch da, ein kräftiger, muskulöser Mann mit etwas leerem Ausdruck, aber einem angenehmen, gutaussehenden Gesicht. Er besaß alles, was einen Mann beliebt macht – nicht nur bei Frauen, sondern auch bei Wählern, Fremden und vielen Gleichaltrigen. Es war ihm unverständlich, warum er seine Vorgesetzten nicht für sich einnehmen konnte. Und er würde nie begreifen, warum er mich nicht beeindruckte.
»Können wir später darüber sprechen?«
»Jetzt, Quadratus!«
Offenbar hörte er mich nicht. Er lächelte schwach, trat auf die Holzleiter zu und kletterte nach unten. Ahnungslos wie er war, wählte er dabei die Methode, die die wesentlich geübteren Sklaven benutzt hatten – mit dem Gesicht nach vorne, statt sich zuerst umzudrehen und nach einem sicheren Halt zu suchen.
Ich hatte ihn weder eingeschüchtert noch bedroht. Das kann ich in völliger Aufrichtigkeit sagen. Außerdem gab es jede Menge Zeugen. Als sein Fuß abrutschte und er fiel, war es genau das, was er über Rufius Constans gesagt hatte – ein Unfall, nichts weiter.
Er lebte noch, als ich zu ihm gelangte. Er war gegen den ersten Vorsprung geprallt und dann auf den darunter liegenden gekracht. Arbeiter strömten von allen Seiten herbei, und wir machten es ihm bequem, obwohl es von Anfang an klar war, daß er den Sturz nicht überleben würde. Darum ließen wir ihn, wo er war, und bald darauf war es zu Ende. Er erlangte das Bewußtsein nicht wieder.
Da ein Mann zu seinen Prinzipien stehen muß, blieb ich bei ihm, bis er starb.
TEIL VIER
BARCINO
25. Mai 73 n. Chr.
In manchen Teilen der Stadt gibt es keine sichtbaren Anzeichen vergangener Zeiten mehr, keine Gebäude oder Steine, die Zeugnis für die Vergangenheit ablegen … Aber die Gewißheit bleibt immer erhalten, daß sich hier alles abgespielt hat, an diesem speziellen Ort, der einen Teil der Ebene zwischen zwei Flüssen, den Bergen und dem Meer bildet.
Albert Garcia Espuche, Barcelona, Veinte Siglos
LXVII
Die Strecke von Castulo zur Nordküste zieht sich unendlich und beträgt mindestens fünfhundert römische Meilen. Das hängt nicht nur davon ab, von welchem Meilenstein an man zählt, sondern wohin man am Ende gelangen will – und ob der Ort, in dem man landet, auch tatsächlich der ist, zu dem man wollte. Ich hatte mein zusätzliches Muli zurückgelassen, benutzte meinen amtlichen Paß für den cursus publicus und ritt in forschestem Tempo wie ein Kurier – einer, der die Aufgabe hat, die Invasion von Barbarenhorden oder den Tod eines Kaisers zu verkünden. Nach mehreren Tagen erreichte ich die Küste bei Valentia. Damit hatte ich etwa die Hälfte der Strecke hinter mir. Dann ging es, mit dem Meer zu meiner Rechten, weiter nach Norden, durch eine Hafenstadt nach der anderen, durch die Provinzhauptstadt Tarraco an der Mündung des großen Flusses, bis ich endlich kurz vor Iluro, Barcino und Emporiae war.
Bis Emporiae kam ich nie, und nun werde ich diesen Ort auch niemals zu sehen bekommen.
In jeder Stadt hielt ich an und ging in den Haupttempel, wo ich nach Botschaften für mich fragte. Auf diese Weise verfolgte ich die Spur von Helena, Aelia und
Weitere Kostenlose Bücher