Zwielicht in Cordoba
Furcht nichts anhaben. Die alten Ängste, die mich wohl mein Leben lang nicht verlassen würden, stiegen in mir auf, aber ich behielt die Oberhand.
Der Quästor war schnell gefunden. Niemand hätte diese stattliche, vor Gesundheit strotzende Erscheinung übersehen können. Er redete mit einem der Grubenunternehmer, der über mein Auftauchen nur allzu froh schien und sich eilends davonmachte. Quinctius Quadratus begrüßte mich voller Wärme, als seien er und ich alte Freunde, die oft zusammen würfelten.
In dieser Mine wurde weniger untertage als übertage gearbeitet. Wir standen am oberen Eingang zu einer Erzader, und das Ganze glich mehr einem Spalt im Berghang als einem richtigen Schacht. Unter uns waren offene Gänge aus dem Fels geschlagen, die langen Höhlen mit überhängendem Dach glichen. Das konstante Klirren und Schlagen der Spitzhacken drang an unsere Ohren. Sklaven mit hervortretenden Rippen, dürren Gliedern und übergroßen, knochigen Ellbogen, Knien und Füßen kletterten eine wackelige Holzleiter hinauf und hinunter. In einer dichten Menschenkette schleppten sie die schwergewichtigen, sackartigen Erzeimer hinauf, während sich Quadratus oben an der Leiter wie ein Koloß auftürmte und gar nicht merkte, daß er ihnen im Weg stand.
Er dachte nicht daran, sich vor mir zu verstecken. In seinen Augen gab es absolut keinen Grund, sich wie ein Flüchtiger zu verhalten.
»Wollen Sie lieber drinnen reden, Quästor?«
»Hier ist es doch sehr schön. Was kann ich für Sie tun?«
»Mir ein paar Fragen beantworten, bitte.« Ich würde die Fragen äußerst einfach formulieren müssen. Sein Hirn war wie ein Bleibarren. Ich verschränkte die Arme und redete ganz freimütig wie ein Mann, dem er vertrauen konnte. »Quinctius Quadratus, ich habe einige schwerwiegende Anschuldigungen gegen Sie vorzubringen, wie Sie gleich erkennen werden. Unterbrechen Sie mich, wenn Sie etwas für ungerecht befinden.«
»Ja, in Ordnung«, meinte er mit demütigem Gesicht.
»Ihnen wird vorgeworfen, entweder die treibende Kraft oder ein Helfershelfer bei der Verfälschung eines offiziellen Berichtes über Korruption gewesen zu sein, der von Ihrem Vorgänger Cornelius verfaßt wurde. Sie nahmen wesentliche Änderungen daran vor, während sich das Dokument im Hause Ihres Vaters befand, nachdem es von Camillus Aelianus dorthin gebracht worden war.«
»Oh!« sagte er.
»Des weiteren wird Ihnen vorgeworfen, Rufius Constans – einen Jugendlichen, der unter Ihrem Einfluß stand – dazu verleitet zu haben, eine Tänzerin für die Gesellschaft der Olivenölhersteller aus Baetica engagiert zu haben. Das Mädchen überfiel und tötete daraufhin einen kaiserlichen Agenten, einen Mann namens Valentinus, und verletzte Anacrites, den Oberspion, schwer. Die Anschuldigung lautet, daß Sie Rufius angestiftet haben, gemeinsam mit Ihnen die Tänzerin mit den Morden zu beauftragen, und daß Sie sich mit ihm im Dunkeln versteckten und den ersten Mord mit ansahen. Danach haben Sie sich betrunken und später falsche Angaben über Ihren Aufenthalt an jenem Abend gemacht. Rufius Constans hat das alles einem Zeugen gestanden, der das vor Gericht aussagen wird.«
»Das hört sich ja düster an«, sagte er.
»Es gibt Beweise, daß Sie bei Rufius Constans waren, als er von einem Mahlstein zerquetscht wurde und Sie ihn dann mit seinen schweren Verletzungen alleingelassen haben.«
»Das hätte ich nicht tun sollen«, entschuldigte er sich.
»Außerdem besitze ich eindeutige Beweise, daß Sie meine Kutsche nahmen, um ihn zu besuchen. Ich muß Sie fragen, ob Sie diesen angeblichen Unfall absichtlich herbeigeführt haben oder nicht?«
»Ach!« erwiderte er leise. »Natürlich war es ein Unfall.«
»Die Tänzerin Selia ist erwürgt auf dem Gut Ihres Vaters in der Nähe von Corduba aufgefunden worden. Wissen Sie irgendwas darüber?«
Quadratus schaute bestürzt. »Nein, weiß ich nicht!«
Nun gut, zumindest das glaubte ich ihm.
»Es gibt gewisse Leute, die Sie als Quästor für ungeeignet halten, obwohl es Sie sicher freuen wird zu hören, daß ich bloße Unfähigkeit nicht für eine Straftat halte.«
»Warum sollte ich irgendwas von dem getan haben, was Sie mir da vorwerfen?« fragte er in verwundertem Ton. »Soll ich daraus etwa persönliche Vorteile gezogen haben?«
»Finanzielle Motive spielen sicherlich mit hinein. Ich bin aber fast davon überzeugt, daß alles einfach auf Ihre himmelschreiende Unverantwortlichkeit zurückzuführen
Weitere Kostenlose Bücher