Zwielicht in Cordoba
heutzutage alle tun?«
»Das Leben in der Provinz hat nichts Unehrenhaftes, Falco.«
»Auch Rom hat seine Vorzüge«, bemerkte ich. »Aber noch mal zurück zum Enkel dieses anderen Mannes, zu Rufius Constans – dieser junge Mann, ein Schmuckstück der baetischen Oberschicht, ist Anfang zwanzig, und sein Großvater hat ihn vor kurzem mit nach Rom genommen, um seine Karriere zu fördern?«
»Das hatte ich gehört, ja.«
»Er hat eine Vorliebe für das Theater, wurde mir gesagt!«
»Ist das wichtig?«
»Zunächst hielt ich es nicht dafür – aber er besuchte die Vorstellung zusammen mit Ihrem neuen Quästor. Wenn die jüngere Generation so freundschaftlich miteinander verkehrt, könnte die ältere ja ebensogut zusammenglucken.«
»Die Leute hier halten sich römische Landbesitzer wie Attractus gern vom Leib. Er ist kaum je auf seinem hiesigen Gut gewesen.«
»Aber sie reisen auf seine Einladung nach Rom? Vielleicht übernimmt er einen Teil des Fahrgeldes. Dann kommen sie an, erpicht darauf, die Goldene Stadt zu sehen, geschmeichelt von der Aufmerksamkeit eines einflußreichen Mannes. Und er muß überEinfluß verfügen, wenn er den Senat dazu bringen kann, seinem Sohn einen bestimmten Provinzposten zuzuschanzen.«
»Sie meinen, daß seine Besucher sich dann für seine Ziele einspannen lassen?«
»Er bietet ihnen vielleicht genau das, was sie sich wünschen: zum Beispiel das Patronat für den Rufius-Enkel – und sagten Sie nicht, es gäbe auch noch ein Mädchen in der Familie?«
»Claudia Rufina soll angeblich den Sohn meines ehemaligen Pachtherrn heiraten.« Optatus sprach den Namen des Mannes, der ihn zur Räumung gezwungen hatte, nach Möglichkeit nie aus. Auch nicht den des Sohnes. »Ich vertraue Licinius, Falco. Im nächsten Herbst werde ich ihm unsere Oliven zum Pressen schicken, damit wir nicht anderswo betrogen werden. Zu den anderen, die Sie erwähnt haben«, fuhr er rasch fort, damit seine eigenen Probleme nicht wieder zur Sprache kamen, »Norbanus ist ein Frachtvermittler, wie Sie sagten. Er kauft und verkauft Stauraum in seetüchtigen Schiffen, die bis Hispalis den Fluß hinauf segeln. Ich bin ihm schon begegnet, aber ich kenne ihn nicht gut. Meine Familie hat seine Dienste nie in Anspruch genommen.«
»Gab es irgendwelche Gründe dafür?«
Optatus zeigte ein seltenes Lächeln. »Unser Vermittler war ein entfernter Vetter.«
»Ah so!«
»Norbanus ist jedoch der bekannteste. Er ist Vorsitzender der Gilde der Negotiatoren in Hispalis und besitzt auch ein eigenes Büro in Ostia, dem Hafen von Rom.«
»Demzufolge ist er also wohlhabend. Und Cyzacus steht an der Spitze der Flußschiffer auf dem Baetis?«
»Sie haben von Cyzacus gehört?«
»Sie meinen, woher ich weiß, daß er der Stammeshäuptling ist? Das ist nicht schwer zu erraten. Attractus gibt sich offenbar nur mit den prominentesten Männern ab. Doch wie kommen sie alle miteinander aus? Norbanus und Cyzacus schienen sich eifrigst den neuesten Klatsch und Tratsch zu erzählen. Sind die beiden Gutsbesitzer ebenfalls Saufkumpane?«
»Transportunternehmer und Landbesitzer können sich gegenseitig nicht ausstehen, Falco. Cyzacus und Norbanus dürfen sich glücklich schätzen, wenn einer der Gutsbesitzer überhaupt mit ihnen spricht. Zwischen Öltransporteuren und Ölherstellern herrscht ein ständiger Krieg – über Preise, verspätete Lieferungen oder darüber, wie das Öl behandelt wird … Was Annaeus und Licinius angeht, die sind im gleichen Geschäft, also ernsthafte Konkurrenten.« Das hörte sich gut an. Hier ließ sich vielleicht ein Keil hineintreiben, was die Art ist, auf die ein gewitzter Agent Verschwörungen sprengt. Man findet eine eng verflochtene Clique vor, in der es interne Rivalitäten gibt, und braucht diese dann nur noch geschickt zu schüren. »Der Unterschied zwischen beiden ist, daß die Annaei vor vielen Jahren aus Italien eingewandert sind und zu den ersten römischen Siedlern hier gehörten. Die Rufii sind rein spanischer Abstammung und haben daher einiges aufzuholen.«
»Ich sehe, daß Sie sich bestens in örtlicher Blasiertheit auskennen!«
»Ja, Menschen, die lebenswichtige Interessen gemein haben, übertrumpfen einander gern an Arroganz.«
»Sagen Sie, warum können diese beiden Olivenanbauer einander nicht ausstehen? Hat das nur rein kommerzielle Ursachen?«
»Oh, ich denke schon. Sie bekämpfen sich nicht bis aufs Blut«, erwiderte Optatus ziemlich sarkastisch, als nähme er an, daß ich Provinzorte
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