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Zwielicht in Cordoba

Titel: Zwielicht in Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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vermissen. Er war offenbar recht tüchtig. Und nun hat man Ihnen eine unbekannte Größe aufgehalst, höre ich … Wird der neue Quästor die Ölkartell-Sache jetzt übernehmen, Prokonsul?«
    Ich hielt meinen Gesichtsausdruck bewußt neutral, ließ ihn aber merken, daß ich ihn beobachtete. Da der Nachfolger von Cornelius der Sohn eines Mannes war, der offenbar den Ton unter den Ölherstellern angab, konnte es heikel werden.
    »Mein neuer Beamter ist mit der Materie nicht vertraut«, erklärte der Prokonsul. Es klang, als wolle er mich warnen, den jungen Quinctius nicht auf etwaige Unstimmigkeiten aufmerksam zu machen. Ich fühlte mich beruhigt.
    »Ist er nicht bereits in Corduba?«
    »Er kam her und sah sich das Büro an.« Das hörte sich sonderbar an. Der Prokonsul sah mir direkt in die Augen. »Momentan ist er nicht hier. Ich habe ihm Jagdurlaub gegeben. Besser, sie sich erst mal austoben zu lassen«, sagte er trocken wie ein Mann, der eine lange Reihe von Verwaltungsneulingen geschult hat.
    Mir kam es so vor, als meinte er in Wirklichkeit etwas anderes. Der Prokonsul hatte wenig mitzureden bei der Wahl seines neuen Beamten. Die Einsetzung von Quinctius Quadratus war von seinem einflußreichen Vater vorangetrieben und vom Senat arrangiert worden. Der Kaiser besaß ein Vetorecht, aber es zu benutzen, hätte die einflußreiche Familie Quinctius vor den Kopf gestoßen. »Ich habe seinen Vater in Rom kennengelernt«, sagte ich.
    »Dann werden Sie ja wissen, daß Quinctius Quadratus mit ausgezeichneten Empfehlungen zu uns kommt.« Nicht ein Funke von Ironie war zu spüren.
    »Sein Vater ist sicherlich ein bedeutender Mann.«
    Ich konnte kaum von einem Prokonsul erwarten, daß er einen Senatorenkollegen schlecht machte. Und das geschah auch nicht. »Ist für die Konsulschaft vorgesehen«, bemerkte er ernst. »Hätte sie vermutlich längst bekommen, wenn es nicht eine so lange Warteliste gäbe.« Nach seiner Machtübernahme war Vespasian verpflichtet, erst seinen Freunden, die ihn unterstützt hatten, Ehrungen zukommen zu lassen. Außerdem besaß er zwei Söhne, die dem Ritual nach alle paar Jahre zu Magistraten ernannt werden mußten. Das bedeutete, daß Männer, die fest mit Ehrungen gerechnet hatten, nun warten mußten.
    »Wenn Attractus seine Konsulschaft erhält, steht ihm danach eine Provinz zu«, grinste ich. »Er könnte immer noch Ihren Posten übernehmen!« Der jetzige Statthalter fand das nicht witzig. »Inzwischen wird von seinem Sohn erwartet, daß er es weit bringt?«
    »Zumindest bis zu einem Jagdurlaub«, meinte der Prokonsul etwas jovialer. Ich hatte das Gefühl, er war recht zufrieden damit, den jungen Quinctius weggeschickt zu haben, obwohl es wahrscheinlich nur vorübergehend war. »Zum Glück läuft das Büro von alleine.«
    Ich habe Büros gesehen, die angeblich von alleine liefen. Was gewöhnlich bedeutete, daß sie von einem erfahrenen thrakischen Sklaven geleitet wurden, der alles wußte, was in den letzten fünfzig Jahren passiert war. Wunderbar – bis zu dem Tag, an dem er einen tödlichen Herzanfall erlitt.
    So ein Jagdurlaub ist eine vieldeutige Angelegenheit. Junge Beamte in den Provinzen erwarten ein gewisses Maß an Freizeit, um wilde Tiere abzuschlachten. Dies wird ihnen normalerweise als Belohnung für harte Arbeit gewährt. Aber es ist gleichzeitig eine wohlbekannte Methode für pingelige Statthalter, sich von Schwachköpfen zu befreien, bis Rom den nächsten Naivling schickt – oder er selbst abberufen wird.
    »Wo können wir Sie erreichen?« fragte der römische Staatsvertreter. Er entledigte sich bereits wieder seiner Toga.
    »Auf dem Gut von Camillus Verus. Ich nehme an, Sie erinnern sich an seinen Sohn Aelianus?« Der Prokonsul nickte, enthielt sich aber jeden Kommentars. »Die Tochter des Senators ist zur Zeit ebenfalls hier.«
    »Mit ihrem Ehemann?«
    »Helena Justina ist geschieden – und auch verwitwet.« Ihm war anzusehen, daß er sich innerlich darauf einstellte, ihr seine Aufwartung machen zu müssen, also fügte ich hinzu, um ihm die Qual zu ersparen: »Die edle Helena erwartet in Kürze ein Kind.«
    Er warf mir einen scharfen Blick zu, auf den ich nicht reagierte. Manchmal erläutere ich den Leuten die Situation und starre sie nieder. Manchmal sage ich nichts und überlasse das Tratschen jemand anderem.
    Da ich natürlich das Siegel des Empfehlungsschreibens von Laeta vorsichtig entfernt und es gelesen hatte, wußte ich, daß der Brief – der immer noch ungeöffnet

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