Zwielicht
Geschichte. In nur einer Handvoll von Jahren lässt sich nicht alles erklären oder offenbaren. Zumal, wenn die Gegenwart und die Zukunft unheilvoller scheinen als die Vergangenheit."
Rosemary beobachtete ihn genau, und ihre Augen wurden schmal. Das stimmte zwar, ja dennoch vermutete sie, dass dieser unheimliche Älteste seine Trümpfe nicht ausspielen würde, bevor er es musste. Sie hätte darauf gewettet, dass die dunklen Templer immer noch vieles für sich behielten. Darin bestand doch schließlich die große Lektion, nicht wahr? Sich im Dunkeln zu verbergen, Geheimnisse zu bewahren und somit sicher zu sein. Auch das würde sich in nur einer Handvoll von Jahren ändern.
„Dann sprecht", sagte Selendis. Trotz all ihrer Ratschläge an Rosemary, sich stets in Geduld zu üben und sich immer die Zeit zu nehmen, um alles richtig zu machen, war sie offenkundig mehr als nur zum Aufbruch bereit. „Wo ist dieser Ort?"
„Ich sagte, dass ich glaube zu wissen, wo Zamara hinwill. Es ist jedoch möglich, dass Zamara selbst das gar nicht weiß. Bewahrer wissen vieles, aber es ist unwahrscheinlich, dass sie sich der Existenz dieses Ortes bewusst ist. Dies ist Wissen der dunklen Templer tief reichend, machtvoll und heilig."
Dem alten Bastard macht das richtig Spaß, erkannte Rosemary.
„Ja", kam Selendis' direkter Gedanke, eindeutig gereizt. „So ist es."
Mohandar lehnte sich nach hinten und musterte die Protoss, die ihn alle mit gespannter Aufmerksamkeit anblickten.
Seine Augenfältchen kräuselten sich zu einem Lächeln. „Als wir von Aiur verbannt wurden, reisten wir jahrhundertelang umher. Wir wurden Nomaden, Forscher, wir fanden und erkundeten viele Welten. Auf einigen blieben wir nur vorübergehend. Auf anderen errichteten wir Bauten, und sie wurden für uns zu einer Art Ankerplatz. Aber keine wurde uns zu einem dauerhaften Zuhause. Nirgends fühlten sich unsere Seelen wirklich daheim, bis wir Shakuras und den hiesigen Tempel fanden."
Er hielt kurz inne, als sähe er selbst diese Zeiten noch einmal an sich vorüberziehen, dann sprach er weiter.
„Doch der Ort, von dem ich spreche, ist für mein Volk immer noch von Bedeutung. Man nennt ihn Alys'aril, das Heiligtum der Weisheit. Der kleine Mond, auf dem es erbaut wurde, heißt Ehlna. Das bedeutet in unserer Sprache ,Hafen'", fügte er Rosemarys wegen noch hinzu. „Es war einer der ersten Orte, an denen wir uns niederließen, und wir blieben dort über hundert Jahre lang, ehe wir beschlossen weiterzuziehen. Viele blieben zurück, um sich um das Heiligtum der Weisheit zu kümmern. Und bis heute pilgern jene von uns, die aufbrachen, um unsere wahre Heimat zu finden, zum Ende ihrer Tage dorthin zurück, wenn man so will."
Wie Geschöpfe, die an den Ort ihrer Geburt zurückkehren, um sich fortzupflanzen oder um zu sterben, dachte Rosemary. Aber warum? Nur um der Nostalgie willen?
„Dort existiert ein Energie-Nexus, der die Khaydarin-Kristalle verändert", fuhr Mohandar fort. „Ich möchte nicht sagen, dass er sie ,verfeinert', denn das trifft so nicht zu. Ich glaube, selbst unsere terranische Freundin hier weiß, dass uns die Kristalle für vielerlei Zwecke dienen. Sie können uns beruhigen, sie leiten und bündeln unsere Kräfte. Wir setzen sie sogar in unserer Technologie ein. Und die Kristalle lassen sich als Datenspeicher nutzen. Die Energien auf Ehlna machen sie für diesen besonderen Zweck auf einzigartige Weise geeignet, weniger jedoch für andere." Mohandar wandte sich um und sah Rosemary direkt an. „Und somit handelt es sich dort um eine Bibliothek von größter Kapazität. Eine Sammlung von so viel Wissen, wie die dunklen Templer nur sammeln können unmittelbar dem Denken und der Erinnerung unseres Volkes entnommen, um für alle Zeiten aufgezeichnet zu werden."
Rosemary keuchte. „Ja, genau dorthin würde Zamara gehen wollen", stimmte sie zu. „Sie wusste, dass ihr die Fähigkeit habt, etwas in dieser Art zu bewerkstelligen, aber sie musste erst einen dunklen Templer finden, um in Erfahrung zu bringen, wo dieser Ort liegt. Darum wollte sie nach Shakuras kommen."
„Freund Mohandar", sagte Artanis vorwurfsvoll, „warum habt Ihr uns von diesem Ort nicht schon früher erzählt?"
„Freund Artanis", erwiderte Mohandar, ohne Artanis' formellen Titel zu nennen, „Ihr brauchtet diese Information nicht. Euer Volk verfügt doch über Bewahrer. Ihr habt lebende Verkörperungen von Erinnerungen, die Euer Konklave berieten. Wir dunklen Templer bedienen
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