Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande
taucht in unterschiedlichen Kunstwerken auf – Gemälden, Skulpturen und Ähnlichem, alle tragen seinen Namen. Ich kann euch zeigen, was sie gefunden hat.«
»Vielleicht findet sich in den Bildern irgendein Hinweis auf seinen Aufenthaltsort«, sagte Custo.
Adam hatte über den Bildern gebrütet – sie waren alle surreal und unbestimmt, es fehlten konkrete Details, selbst das Gesicht vom Schattenmann war undeutlich.
»Das ist nicht alles. Talia hat auch Kunstwerke von sich selbst gefunden.«
»Ach herrje«, sagte Patty. »Das arme Mädchen.«
»Einige Bilder« – das Aktbild beispielsweise – »zeigen nur sie. Auf anderen ist dargestellt, wie sie mit anthropomorphen Monstern kämpft, vor ihnen flüchtet oder sich vor ihnen fürchtet.«
»Geister«, schloss Custo.
»Ja. Und wir müssen davon ausgehen, dass das Kollektiv sich dessen ebenfalls bewusst ist, denn schließlich haben sie sie monatelang verfolgt.«
»Ist sie etwa dazu ausersehen, die Welt vor den Geistern zu retten?« Custo gab sich keine Mühe, seine Skepsis zu überspielen.
»Wir müssen ihr helfen«, sagte Adam. »Wir müssen sie um jeden Preis schützen. Wir müssen sie fördern, sie trainieren und dafür sorgen, dass sie sich Segues Unterstützung sicher ist. Dass wir ihr all unsere Mittel zur Verfügung stellen.«
Er blickte auf das Gummiband an seinen Fingern. Er musste die Beziehung zu ihr auf einer rein professionellen Ebene halten. Schließlich konnte er sie nicht gut beschützen, wenn er auf ihr lag. Oder unter ihr. Oder in ihr war. Sein Mund wurde trocken. Er schob das Gummi von seiner Hand und steckte es in die Tasche.
»Noch etwas«, fuhr Adam fort. »Wenn mir irgendetwas zustoßen sollte … «
Patty runzelte die Stirn und hob abrupt die Hand. »Solche Gespräche mag ich nicht.«
»Das ist schade« – schade für alle. »Es ist eine Tatsache, dass es bei diesem Kampf um Leben und Tod geht. Wenn mir etwas zustoßen sollte, müsst ihr zwei sie weiterhin mit allen Mitteln unterstützen. Ich möchte, dass ihr mir das versprecht.«
Custo zog die Augen zusammen, nickte aber knapp.
Adam blickte über den Tisch hinweg. »Patty?«
»Ich unterstütze sie sowieso. Ganz egal, ob du am Leben bist oder nicht.«
Patty reagierte auf ihre übliche freche Art, aber Adam war nicht zum Lachen zumute.
»Okay.« Adam nickte. »Das ist alles.« Nun würde er laufen. Möglichst schnell und möglichst weit, damit er nichts Dummes mehr anstellte. Wie etwa in den vierten Stock hinaufzuwandern.
»Adam?« Custo hob eine Braue.
»Was?«
»Du hast uns nicht alles gesagt.«
»Das werde ich auch nicht.« Adam wandte sich von ihnen ab und ging zur Tür.
t
Talia stieg auf das Dach hinauf. Sie glaubte, dass Adam dort zuletzt nach ihr suchen würde, denn sie war selbst noch nie zuvor hier oben gewesen. Sie hatte gedacht, dass es dort friedlich wäre, aber es war laut, ein dröhnender Generator störte die Nachtruhe. Sie hatte angenommen, dass die Luft so nah am Himmel köstlich duftete, aber sie verströmte einen leicht mechanischen, öligen Geruch, in den sich Zigarettenqualm mischte.
»Jim sagt, dass es auf dem Dach spukt. Er behauptet, er spüre dort eindeutig einen kalten Fleck. Dort neben der Dachrinne, von dort aus hat sich jemand in den Tod gestürzt.«
Talia fuhr herum, als sie Spencers Stimme erkannte. Er lehnte an einer Art grauer Trennwand und rauchte. Er schnippte mit dem Daumen die Asche von seiner Zigarette, die daraufhin auf ihre Füße herabregnete. Hinter ihm stieg das Dach in einem malerischen Bogen an. Unter ihnen wand sich die Terrasse um das Erdgeschoss des Hotels, sodass es wirkte, als würde das Gebäude auf einer weißen Scheibe über der Erde schweben.
Sie schluckte ihre Überraschung hinunter. »Bislang haben mich die Gespenster in Ruhe gelassen. Ich glaube, ich kann das Risiko eingehen.«
»Ich glaube auch nicht an sie.« Er zog lange an seiner Zigarette und ließ den Rauch seitlich aus seinem Mund entweichen. »Beziehungsstress? Es sah aus, als hätten Sie beide da unten einen kleinen Streit gehabt.«
Talia errötete. Sie wandte sich zur Tür um. In diesem verdammten Hotel konnte sie nirgends hin.
»Sie wissen, dass Sie verschiedene Optionen haben, oder?« Spencers Stimme klang freundlich und hilfsbereit, aber Talia hatte immer noch nicht das Gefühl, ihm vertrauen zu können. Sie konnte niemandem trauen.
»Was meinen Sie?«
Spencer legte den Kopf schief. »Ich frage mich, ob Sie wissen, dass Adam eine Akte über Sie
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