Zwielichtlande: Schattenmann (German Edition)
und sie nahm den metallischen Geschmack von Blut wahr, das aus ihrer Nase floss. Die Männer um sie herum redeten aufgeregt weiter, doch sie konzentrierte sich auf das Gesicht des Schattenmanns. Erneut hatte das Schwarz zur Gänze das Weiß aus seinen Augen verdrängt. Da es nicht an seiner Lust liegen konnte, schien das ein schlechtes Zeichen zu sein. Obwohl seine Gestalt solide wirkte, schien er sich langsam aufzulösen, als sei er bis zum Bersten von Schatten erfüllt. Ziemlich übel.
»Nicht«, versuchte sie ihm zu sagen, doch ihr war klar, dass er ihr nicht zuhörte.
Es soll so sein. Doch sie sah, dass ihn das nicht interessierte.
Zitternd beobachtete sie, wie vor ihren Augen ein neues Monster entstand. Ihr Schattenmann, doch erfüllt von einer schwarzen Bedrohung, die alles übertraf, was Rose heraufzubeschwören hoffte.
Die Engel wollten den Tod? – Nun, hier kam er.
In einem Wirbelsturm aus Schatten rauschte der Schattenmann in die Höhle. Er zog noch mehr pechschwarze Dunkelheit aus den Tiefen der Erde und stürzte sich auf die Gruppe, die sich vor dem Tor zur Hölle versammelt hatte. Er riss ihre Körper fort, die gegen die Steinwände und aus dem Boden ragende Stalagmiten krachten.
Nur Ballard klammerte sich mit einer Hand an eine Sprosse des Tors, in der anderen hielt er den Hammer. Sein gelbes Haar wirbelten um seinen Kopf. Obwohl sich der Tod auf ihn stürzte, holte Ballard Schwung und schlug erneut auf das Tor ein.
Sie hatten sie noch nicht einmal vorgewarnt.
Der Tod rief die Schatten aus der Tiefe herbei, immer mehr, bis die Höhlenwände von Wanzen übersät waren, die auf den Eingang zuströmten. Fledermäuse flogen kreischend durch die Luft. Das Tor ratterte hysterisch und ausgelassen.
Der Schattenmann schlug mit einer Schattenbahn auf Ballard ein. Sein Kopf schleuderte zurück und blutete, doch er hielt sich weiterhin fest.
Wie tapfer. Aber Engel waren sterblich, und dieser hier würde sterben.
Der Tod ließ seine Magie spielen und stellte sich vor die Engel. Er hoffte, dass sie ein Monster sahen. Für den Mord, den sie begehen wollten, hatten sie ein Monster verdient. Er griff Ballards Haare und knallte dessen Kopf gegen das Tor. Er benutzte seinen Schädel wie einen neuen Hammer und freute sich auf den Moment, in dem sein Knochen zum Vorschein kam.
Doch Custo, dieser Hund, fing seinen Arm ab. »Lass mich … !« Der Rest seiner Worte ging im Sturm unter.
Auch gut. Der Schattenmann machte sich von Custo los, riss Ballard zurück und schlug erneut mit ihm auf das Tor ein. Schließlich sackte der Körper des verdammten Engels schlaff in sich zusammen. Der Hammer fiel auf den Höhlenboden. Der Tod schleuderte Ballard zur Seite und drehte sich zu den Engeln um, die sich auf einen Kampf vorbereiteten.
Darunter Custo, die Augen voll schwarzer Schatten, der beschwichtigend die Arme hob, als wollte er sagen: Halt!.
Seit dem Moment, in dem sie Layla geschlagen hatten, gab es kein Halten mehr.
Kat-a-kat-a-kat-a-kat: Öffne mich. Ich habe eine ganze Armee für dich.
»Sie will kooperieren!«, schrie Custo ihnen zu. »Layla ist einverstanden!«
»Ich nicht«, brummten die wirbelnden Schatten.
Ein anderer Engel trat vor. »Du bist befangen, Custo. Deine Freundschaft macht dich blind.«
»Layla hat es gerade erst herausgefunden«, entgegnete Custo. »Sie ist einverstanden. Gebt ihr ein bisschen Zeit … «
»Zeit ändert nichts«, sagte der Tod. Nicht mehr. Nur die Ewigkeit. Mit weniger gab er sich nicht zufrieden.
Kat-a-kat-a-kat-a-kat: Ich kann dir Ewigkeit geben.
»Hört mir zu!«, schrie Custo. »Layla hat sich ihrer Aufgabe erinnert. Sie kann alles in Ordnung bringen. Der Schattenmann kehrt in die Zwielichtlande zurück.«
»Das werde ich nicht tun.« Einen kurzen Augenblick hatte er darüber nachgedacht. Einen Moment lang war er bereit gewesen, das Leid in Kauf zu nehmen, wenn Layla wirklich wollte, dass er ging. Er wäre zurückgekehrt und hätte seine Pflicht getan. Jetzt wollte er seine Sense nur, um die Engel zu erledigen. Doch seine bloßen Hände mussten reichen.
»Bitte, Schattenmann. Sei vernünftig«, flehte Custo. »Es ist der natürliche Lauf der Dinge.«
Ballard rappelte sich auf und stützte sich mit einer Hand auf dem Boden ab.
Glänzendes Metall flog durch die Luft. Ein Dolch, eine Waffe der Engel. Der Schattenmann streckte der Waffe seine Brust entgegen. Keine Klinge konnte ihn töten, und hier, unter der Erde, wo die Dunkelheit regierte, schwächte sie ihn
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