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Zwielichtlande: Schattenmann (German Edition)

Zwielichtlande: Schattenmann (German Edition)

Titel: Zwielichtlande: Schattenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kellison
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habe dich … hier … erwartet.«
    Moira zog ihre glänzenden Röcke zur Seite. Darunter kauerte die geschundene Seele einer menschlichen Frau mit eingefallenen Augen. In den Händen hielt sie einige Strähnen, die sie sich aus ihrem dünnen Haarschopf gerissen hatte. Sie war gestorben, doch da er seinen Posten verlassen hatte, gab es niemanden, der sie sicher durch das Jenseits geleitete.
    »Wie viele andere hat sie sich im Wald verlaufen«, erklärte Moira. »Die Engel tun ihr Bestens, aber die hier haben sie noch nicht gefunden. Ich verstecke sie. Es macht so viel Spaß, ihnen beim Suchen zuzusehen.« Moira schnalzte mit der Zunge, und die Sterbliche blickte panisch um sich. Der Geist der Frau flackerte schwach auf. Sie verlor sich in der Illusion, in der Moira sie gefangen hielt.
    In Khan keimte Mitleid auf. »Lass sie frei.«
    Moira zwinkerte. »Befreie sie doch selbst.«
    »Nein. Ich kann nicht.«
    »Das ist deine Natur, Sensenmann«, sagte sie. Er besaß so viele Namen wie Gesichter. Am besten gefiel ihm der, den Kathleen ihm gegeben hatte: Schattenmann. Moira schüttelte den Kopf. »Und die Natur setzt sich immer durch.«
    Khan begegnete ihrem scharfen Blick mit einem Lächeln. Es gab kein Zurück, nicht jetzt, nie mehr. Die Welt hatte sich verändert … und ebenso er. Moira war seit Jahrhunderten in der Dunkelheit gefangen. Sie konnte ihn unmöglich verstehen, dennoch versuchte er es. » Ich will mich verändern .«
    Moira lachte. »Aber du bist ein Todesbote .«
    Todesbote, ja. Aber nicht mehr so wie vorher. Dieses Wunder hatte Kathleen vollbracht. Er konnte und wollte es nicht rückgängig machen. Zum Beweis hob er eine Hand und bannte die Illusion aus dem Geist der Frau. Er begleitete sie zwar nicht hinüber, doch er ließ zumindest nicht zu, dass sie in Gefangenschaft blieb, bis ihre Seele ausbrannte. Die kauernde Frau erstarrte und blinzelte. Erst einmal, dann noch einmal. Langsam hob sie den Blick vom wurzelüberwachsenen Boden zu ihm.
    Damit hatte er gerechnet. Er spürte, wie ihr Geist sein Bild formte. Die duftende Atmosphäre der Zwielichtlande veränderte sich und nahm einen vertrauten Gestank an. Die Schatten gerieten in Bewegung. Sie pochten und erhoben sich zu einem Sturm. Dann beruhigten sie sich.
    Und die Frau schrie.
    Jetzt stand das schreckliche Monster vor ihr: Er. Der Tod. Der Sensenmann.
    Moira lachte los. »Du bist noch genau derselbe.«
    »Vielleicht«, gab er zu. Welcher Schreckensgestalt glich er? Sah auch Layla ein Monster in ihm? Würde sie schreien? »Aber ich will das nicht mehr.«
    Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, begann die Erde zu beben, als wollte sie etwas Unreines entfernen. Den Teufel.
    Mit seinen Schattenfingern strich Khan über den Schleier zwischen den Welten. Auf der anderen Seite pulsierte das menschliche Leben, Gefühle blitzten auf, unzählige Stimmen und Gespräche verwoben sich zu einem Klangteppich der Sterblichen Welt. Überall flackerten Seelen, einige näherten sich der Grenze, doch er diente ihnen nicht als Hirte. Die Engel sollten gut aufpassen.
    Da! Eine klebrige Blutspur, die Spur des Teufels.
    Khan sammelte die Schatten um sich und formte sie zu riesigen Flügeln.
    Moira lachte. »Flieg, Gevatter Tod!«
    Und das tat er. Er musste einen Teufel fangen.
    Er glitt über die Grenze zwischen den Welten, brach durch die Atmosphäre und fand sich bei dem Lagerhaus am Hafen wieder, in dem er das Tor geschmiedet hatte. Ein scheußlicher Fleck kennzeichnete die Stelle, wo der Teufel sein erstes Opfer erlegt hatte. Menschen konnten nicht mehr erkennen, dass hier ein Mord stattgefunden hatte, das Blut war von der Straße gewaschen, und der Wind hatte den Geruch der Angst mit sich genommen. Doch es blieb das Gefühl von etwas Bösem. Obwohl der Teufel bereits lange weg war, erschauderten Passanten, und Tiere und Insekten wagten sich nicht in die Nähe.
    Khan schwang erneut seine Schattenflügel. Dort hatte die Kreatur ein weiteres Leben vernichtet. Der Teufel hatte sich in Richtung Süden an den Stadtrand bewegt.
    Der durch gelbe Klebestreifen gekennzeichnete Tatort befand sich neben Kleiderständern in einem riesigen Kaufhaus. Auch hier hatte man die Zeichen der Gewalt entfernt, doch die Aura des Bösen war nicht auszumerzen. Das Kaufhaus würde pleite gehen und das Gebäude verfallen.
    Khan streckte noch einmal die Schatten aus. Wie weit konnte der Teufel an einem Tag kommen? Er suchte nach einem weiteren Tatort und entdeckte ihn neben einer

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