Zwielichtlande: Schattenmann (German Edition)
Schattenanteil durch. Die Schreie, die aus seiner Kehle drangen, bewegten die Zwielichtlande schon jetzt. Wusste seine Mutter das?
»Talia, Mädchen, pass gut auf das Kind auf. In ihm wächst eine Macht.«
Sie hörte auf, das Baby zu wiegen, und biss die Zähne zusammen. Ihre Sorge erfüllte den Raum. »Ich weiß.«
»Wie bei dir wird seine sterbliche Hälfte verschwinden, sobald er in die Zwielichtlande hinübertritt.«
Adam streichelte Talias Arm. »Ich sorge dafür, dass sie hier bleiben. Alle beide.«
»Adam«, bemerkte Khan, »du hast zwei Kinder und eine Frau, aber nur zwei Hände.«
Ein lautes Krachen ließ Adam aufschrecken. »Ein Schuss.«
Offenbar hatte die Frau von unten Zoe angerufen und vorgewarnt, denn sie erwartete Layla bereits vor einer der Türen. Zoe trug ein löchriges T-Shirt, das einen Blick auf ihre Brust gewährte, sowie eine aufgekrempelte Trainingshose aus Segue.
»Abigail schläft. Wenn du Krach machst, bringe ich dich um.«
»Offensichtlich bin ich schon tot«, erwiderte Layla.
»Hör zu, du wirkst ein bisschen aufgelöst, und ich habe keine Lust auf Drama.« Zoe machte eine wegwerfende Handbewegung. »Also zurück, marsch, marsch.«
»Ich muss mit dir reden. Jetzt gleich.« Niemand in Segue war so wenig entgegenkommend wie Zoe. Sie musste wissen, was vor sich ging.
»Im Flur liegt eine Waffe. Gib mir einen Grund, sie zu benutzen. Bitte.«
»Wieso wolltest du, dass ich Adam und Talia mit einem Artikel bloßstelle? Was machen sie hier wirklich? Wieso lassen sie sich auf mich ein?«
Zoe verschwand kurz im Eingang ihrer Wohnung und tauchte mit einer Glock in der Hand wieder auf. »Die habe ich letzte Woche dort draußen gefunden.«
Layla erschrak, dann zählte sie zwei und zwei zusammen. »Das ist meine Waffe.«
Zoe lächelte. »Finderlohn … «
Und schon löste sich ein Schuss.
Während Khan sich bereits in den Schatten auflöste, flehte Talia ihn eindringlich an: »Finde sie. Bitte lass sie nicht gehen.«
Es war einfach, Laylas hell strahlende Seele zu finden. Sie stand lachend im Wohnzimmer einer anderen sterblichen Frau: »Wie wäre es, wenn ich dir beibringe, wie man mit einer Waffe umgeht?«
Das Schicksal hatte einen weiteren Anschlag auf ihr Leben verübt, doch Layla schien unverletzt zu sein.
Neben ihr befand sich eine junge gesunde Frau, deren Seele allerdings gebrochen schien. Um sie herum waberten feine Schattenspuren. Sie war bleich vor Erschöpfung, und er wusste, warum. Im benachbarten Zimmer lag ihre Schwester im Bett. Die Frau besaß eine gewaltige Gabe, die bei Menschen nur sehr selten vorkam. In früheren Zeiten hätte man sie als Orakel oder Prophetin bezeichnet und sie wie eine Königin behandelt. Durch ihre Adern flossen Schatten und Blut, deshalb alterte sie enorm schnell. Wenn ihre Schwester sich nicht derart an sie klammern würde und sie endlich losließe, wäre sie schon längst ins Schattenreich hinübergeglitten. So triumphierte die Liebe wieder einmal über den Tod.
»Es ist kein Verbrechen, dass ich mich schützen will«, sagte die Frau zu Layla. Ihre Miene wirkte abweisend, eine alte Angst quälte sie. »Noch immer tauchen Geister auf, aber Adam gibt mir keine Waffe.«
»Du kannst sie vorerst behalten, aber sei vorsichtig. Es gibt keine Standardsicherung, nur diesen kleinen Hebel dort. Leg den Finger erst auf den Abzug, wenn du es wirklich ernst meinst. Laylas Ärger ließ nach, und sie reichte Zoe die Waffe. »Los, Zoe, nimm sie.«
»Gut.« Zoe ergriff die Waffe. »Das kann ich gebrauchen.« Ohne dass sie es aussprach, wusste Khan, dass sie die Waffe für ihre Schwester brauchte. »Die Welt spielt verrückt.«
»Was du nicht sagst«, entgegnete Layla.
»Ach, hör doch auf«, bemerkte Zoe höhnisch. »Meine Schwester hat mir von dir erzählt. Ich weiß, dass du ganz dicke mit denen bist und auch, warum.«
»Hast du Lust, es mir zu erzählen? Denn ich habe, offen gestanden, keine Ahnung.«
»Das ist echt nicht mein Problem.«
Verzweifelt wandte sich Layla wieder zur Tür um. »Richtig. Das ist nicht dein Problem. Viel Spaß mit der Waffe.«
»Warte«, sagte Zoe und rollte gereizt mit den Augen.
Khan fragte sich, warum dieses Mädchen so viele Widersprüche in sich vereinte. Ihr junger Körper stand im Gegensatz zu ihrer alten Seele. Sie sagte Sachen, die vollkommen ihren Gefühlen widersprachen, und behauptete, Segue zu hassen, verließ sich jedoch auf seinen Schutz. Stünde sie nicht in Fleisch und Blut vor ihm, hielte er sie für
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