Zwillinge der Finsternis
die Hand.
»Aber ...« Sinclair war vollkommen irritiert.
»Das wolltest du doch, oder? Deswegen bist du doch hier? Und offenbar gehört es dir ja auch.«
»Ja ... schon ... aber ich ... ich dachte ... ich ...«
»Dass ich Theater machen würde? Alles abstreiten, verhandeln würde?« Witherspoon sah ihn belustigt an, und Sinclair nickte unwillkürlich.
»Ach, weißt du«, sagte Witherspoon und winkte herablassend ab, »das, was in dem Buch wirklich von Interesse ist, ist mir längst bekannt. Ich wünsche euch allen noch einen schönen Tag.« Er tippte sich zum Abschied an die Schläfe, trat ins Haus zurück und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.
Ein paar Sekunden vergingen, in denen keiner der drei etwas sagte. Dann meinte Bob verdutzt: »Na, das nenne ich doch mal eine überraschende Wendung der Dinge.«
»Kann mal wohl sagen.« Justus wirkte sehr nachdenklich.
Sinclair atmete tief durch. »Nun ...«, er brachte ein verkrampftes Lächeln zustande, »das wäre geschafft! Schön ... schön.«
Sie drehten sich um und liefen zurück zum Eingangstor. An der Straße hob Sinclair kurz die Hand und murmelte etwas wie »Schönen Tag noch«, als ihm noch etwas einfiel. »Ah ja, wie kann ich mich denn nun für eure Bemühungen erkenntlich zeigen? Schließlich habt ihr ja das Buch gefunden«, sagte er geistesabwesend.
Justus winkte schon ab und wollte gerade etwas erwidern, als sich Sinclair kopfschüttelnd an die Stirn griff: »Ach so! Stimmt ja! Ich vergaß! Ihr nehmt ja nichts! Aber eine kleine Anerkennung dürft ihr mir nicht verwehren, Jungs, sonst bin ich wirklich beleidigt!« Irgendwie machte der Mann nicht den Eindruck, als wüsste er, was er da von sich gab. »Hier!« Er holte sein Portemonnaie aus der Hosentasche und griff blind hinein. »Nehmt das.« Sprach’s und drückte Justus zwei Hundertdollarscheine in die Hand. Dann stieg er in seinen Wagen ein und fuhr davon.
Es spukt
»Heute Abend kommt ›Der Teufel wird dich holen!‹«, verkündete Tante Mathilda aufgeregt und klatschte Justus einen weiteren Pfannkuchen auf den Teller. »Hach, der soll ja so was von gruselig sein, steht in der Zeitung!«
Tante Mathilda hatte sicher einige skurrile Seiten an sich, aber am meisten wunderte sich Justus doch immer über ihre ausgeprägte Leidenschaft für Horror- und Gruselfilme aller Art. Und je schauriger der Film war, desto besser fand ihn seine Tante. Kam dann so ein Streifen abends im Fernsehen, war Mathilda schon den ganzen Tag über wie aufgedreht und redete von nichts anderem mehr. Sie vergaß dabei sogar meist, den Jungen irgendwelche Arbeiten aufzuhalsen.
Und wenn es endlich so weit war, kauerte sie sich in ihren Fernsehsessel und starrte mit roten Wangen und schreckgeweiteten Augen auf die Mattscheibe. Mit wohligem Gruseln krallte sie sich dabei bei besonders grausigen Szenen schaudernd in die Armlehnen, und wenn mal wieder ein blatternarbiges Ungeheuer das andere durch nebelwabernde Sümpfe jagte, schrie sie auch schon mal so spitz auf, dass sogar Titus kurzzeitig aus seinem tiefen Fernsehschlaf hochfuhr.
»Wollt ihr Jungs ihn euch nicht vielleicht mit ansehen?«, fragte sie nun auch Peter und Bob, die wie so oft bei den Jonas zu Mittag aßen. »Ich back uns ein paar leckere Haferkekse, und zu trinken gibt’s Tomatensaft – schön blutig!« Mathilda kicherte fröhlich. »Hm, wär das nicht was?«
Während sich Peter fragte, ob Haferkekse jemals lecker sein konnten, winkte Bob entschuldigend ab: »Ich muss noch mein Zimmer aufräumen, und dazu komm ich wahrscheinlich erst heute Abend.«
»Und ich hab Kelly versprochen, dass wir heute zu Luigi zum Eisessen gehen«, meldete sich dann auch Peter ab.
»Justus, aber du beschützt mich, nicht wahr?«, lächelte Mathilda beschwingt. »Du weißt doch, dass dein Onkel dazu nicht mehr in der Lage ist, wenn die Kiste erst mal läuft!«
Titus Jonas murmelte irgendetwas in seinen Schnauzbart hinein und tunkte den Löffel ins Marmeladenglas. Dann verschmierte er konzentriert einen großen Klecks Erdbeermarmelade auf seinem Pfannkuchen, erwiderte aber nichts auf den leisen Vorwurf seiner Frau.
»Äh, ich wollte eigentlich«, sagte Justus, wurde aber in diesem Moment von der Haustürklingel unterbrochen.
»Wer klingelt denn da zur Mittagszeit?« Mathilda war auf einen Schlag wie verwandelt und setzte eine verärgerte Miene auf. So geschäftstüchtig sie war, so wenig konnte sie es leiden, wenn man sich nicht an die grundlegendsten Umgangsformen
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