Zwillingsblut (German Edition)
kaum ihre Füße auf den Boden zu setzen und keine Bewegung ihrer Kleidung zeugte davon, dass sie ihren Körper tatsächlich bewegte. Sie wirkte wie eine unheimliche Alptraumfigur aus einem schlechten Horrorfilm, doch Edward schauderte. Zu lange war es her, dass ein Vampir der älter war als er selbst, seine Macht demonstriert hatte – und noch nie hatte es die Königin getan.
Ein Blick in ihr Gesicht erklärte ihm, warum sie in all den Jahrhunderten die nahezu unbestrittene Führerin ihres Volkes gewesen war. Intelligenz flammte durch den sonst so unbestreitbaren Wahnsinn und erzählte stumm von Jahrhunderten, Liebe, Leid und vergessenen Legenden.
Maeves kalte Schönheit traf Edward unvorbereitet und mit voller Wucht. Tränen traten in seine Augen und er versuchte nicht, sie vor ihr zu verbergen. Selbst ihre ausdrucksstarken Züge schienen schärfer geworden zu sein, erinnerten mehr an Morna, jedoch ohne den abgrundtiefen Hass und den Willen alles zu dominieren. Maeves Blick glitt von seinen Augen über sein Gesicht zu seinem Hals und der leeren Kette. Sie sagte kein Wort, sondern setzte ihre stumme Musterung fort, als sähe sie Edward zum ersten Mal und müsse sich erst eine Meinung über ihn bilden.
Als sei sie schließlich zu einem Urteil gekommen, trat sie einen Schritt zurück und schloss die drei anderen Vampire in ihr Blickfeld ein. Hasdrubal, der seltsam angespannt wirkte, so als warte er nur darauf, dass die Hölle losbräche und der dem kurzen Frieden im Wesen seiner Königin nicht zu trauen schien; Joel, dunkel und unbeteiligt wie immer; und Xylos, der merkwürdig zufrieden mit sich selbst wirkte.
Ein Opfer der Königin
, dachte Edward,
sie hat ihn zum Vampir gemacht. Warum hat sie ausgerechnet ihn am Leben gelassen?
»Xylos!«, begann die Königin und ihre Stimme schlug Edward in den Bann. Noch nie hatte Maeve so geklungen, ihre Stimme so rein, melodisch und voller Leben. »Ich werde deinem Wunsch entsprechen. Falls das Mädchen die Prophezeiung nicht erfüllt, wird sie dein sein!«
Edward wollte aufbrausen, doch die Königin verdammte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.
»Du wirst diese verdammte Kette nicht benutzen, hörst du mich Xylos? Es ist dir verboten sie einzusperren und es ist dir verboten, mit Gewalt zu nehmen, was gegeben werden muss!«
Xylos nickte zum Zeichen, das er verstanden hatte.
Edward hasste ihn für einen glühenden Moment wegen der Überheblichkeit mit der der jüngere Vampir die Königin behandelte und für den Verlust in seinem Blick, der unverwandt auf Maeve ruhte. Er ahnte, wie gerne Xylos Sofia unterwerfen und abhängig machen wollte, doch beides war ihm nun verboten.
»Hasdrubal!«, die Königin winkte den Karthager näher. »Auch deiner Bitte werde ich entsprechen!«
Edward fluchte leise. Trotzdem war er sicher, dass alle ihn und seinen hilflosen Einwand gehört hatten.
»Falls sie die Frau ist, die Edward tötet, unterstelle ich sie deinem Schutz und deinen Entscheidungen und werde respektieren, was immer du für richtig hältst.«
Edward: »Du hast versprochen, dass du sie in Ruhe lässt.«
Hasdrubal nickte und verzog die Lippen zu einem genüsslichen Lächeln. »Und ich halte mein Versprechen! Ich lasse Melanie in Ruhe!«
Edward musterte Hasdrubal und versuchte zu ergründen, was dieser meinte, da er die Wahrheit sprach. Die Stimme der Königin riss ihn aus seinen Überlegungen.
»Stellst du auch Ansprüche auf das Mädchen?« Maeve hatte sich zu Joel gedreht.
»Nein, meine Königin.« Falls Joel die Veränderung der Königin aufgefallen war, verbarg er seine Gedanken vortrefflich.
»Wieso nicht?«
»Weil sie Edwards Erlösung ist.«
»Ist? Oder sein könnte?« Provozierend hob Maeve eine ihrer schmalen Augenbrauen und sah Edward fragend an. In ihrem Blick lag eine Mischung aus Beunruhigung, Wut und dieser seltsamen, intelligenten Selbstbeherrschung.
Es klopfte an der Tür und ohne eine Antwort abzuwarten, trat Morna ein. Sie wirkte verärgert, weil ihre Schwester die Besprechung schon begonnen hatte.
»Oh, habe ich es verpasst?«, fragte sie trotzdem mit einer zuckersüßen Stimme.
»Ja!« Dieses eine Wort schien Morna zu verunsichern und der Blick, den sie in Richtung ihrer Schwester warf, war überrascht.
»Falls das Mädchen versagt, bekommt Xylos sie und falls sie Edward tötet, Hasdrubal«, fasste Maeve ihre Verfügung noch einmal zusammen.
»Großartig!«, kommentierte Morna und funkelte ihre Schwester an. Auf ihrer perfekten Stirn
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