Zwillingsblut (German Edition)
die Augen. Merkwürdigerweise konnte Sofia ihn trotzdem nicht sehen, weder sein Gesicht, noch seine Augen. Da wo er sein müsste, war nur ein Schemen. Sie fühlte sich losgelöst von ihrem Körper, beinahe so, als beobachte sie eine Fremde. Bisher hatte sie gedacht, sie könne sich einfach nur nach dem Erwachen nicht mehr an das Gesicht des Magistraten erinnern, doch dieser Augenblick belehrte sie eines besseren. Sie sah ihn auch im Traum nicht.
Aber schlafe ich überhaupt?
Sie meinte sich daran zu erinnern, wirklich aufgestanden und Richtung Wohnzimmer gegangen zu sein.
Als könne der Traumschatten ihre Gedanken lesen, benutzte er seinen Körper – ein kaum merkliches Verlagern seines Gewichtes – um sie an die Wand neben der Tür zu drängen. Obwohl Sofia die Bedrohung ihrer Situation wahrnahm, konnte sie die Faszination nicht abschütteln, sich nicht aus dem unsichtbaren Bann befreien.
Edward bewegte sich so langsam er konnte auf Sofia zu, beschwichtigte sie durch diese Langsamkeit und ließ sie ihre neuerliche geistige Gegenwehr vergaß.
Der Mann aus ihrer Fantasie beugte sich zu ihr und seine Lippen strichen sanft über ihre. So zärtlich, dass sie glaubte unter seinen Berührungen zerfließen zu können. Nie zuvor war sie so innig geküsst worden, so als ginge es tatsächlich um sie – nur um sie. Aufregung und Verwirrung wühlten ihre Emotionen auf, ließen sie jede Gegenwehr vergessen und ihren Körper in seine Arme schmelzen. Die Welt schien plötzlich unnatürlich still zu stehen, bedeutungslos unter seinen Liebkosungen. Sie verlor jedes Gefühl für Raum und Zeit, jedes Verlangen danach etwas anderes zu tun, als sich in diesem Kuss zu verlieren. Bis in alle Ewigkeit.
Der Traumschatten strich mit einer Hand – sie hatte nicht einmal bemerkt, dass er sie gehoben hatte – über ihre Wange und Sofia konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Stattdessen öffnete sich ihr verräterischer Mund weiter, ließ seine Zunge ein, ließ zu, dass sie sich mit anhaltender Zärtlichkeit an ihr labte, sich zurückzog und wieder in sie eindrang, gemächlich und irgendwie vertraut. So als wäre sie eigens dazu geschaffen, diesen intimen Tanz mit ihr aufzuführen. Unwillkürlich schmiegte sie sich gegen den Unbekannten – doch plötzlich war sie allein.
Sofia stand verwirrt in ihrem Flur und starrte auf eine leere Stelle, wo eben noch ein Schattengebilde gewesen war. Beinahe konnte sie die Wärme wiederspüren, seine Lippen. Erschrocken öffnete sie die Augen.
Wach, ich bin wach!
Nachdenklich rieb sie ihre Lippen aneinander. Sie waren empfindsam und geschwollen, sie selber glühte förmlich vor Lust, zerschmolz nahezu unter ihrer eigenen, winzigen Berührung.
Kein Traum!
Jemand war hier gewesen, hatte sie in Trance versetzt, um sich in ihre Träume und Sehnsüchte zu stehlen. Sofia starrte an die Wand und versuchte ihre Libido und ihre verwirrten Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Wer war bei ihr gewesen? Xylos, um sie dazu zu bringen zu ihm zu kommen, zu kapitulieren wie eine liebeskranke Maid? Joel, der Schwarze, vor dem alle Vampire Angst hatten und der eine geheimnisvolle Macht zu haben schien? Der Fremde aus Paris, der beinahe mystisch gewesen war und dessen Anwesenheit für Panik gesorgt hatte? Oder Edward?
Der Magistrat!
Sofia erbleichte bei dem Gedanken. Von allen Vampiren war er der einzige, der nicht offen zu ihr kommen würde, sondern in einem Traum. Bereits einmal hatte er bewiesen, welche Macht er über sie besaß und er konnte es immer noch! Obwohl sie selber zum Vampir geworden war, konnte er sie beeinflussen! Frustriert heulte sie auf und schlug gegen die Wand. Dabei achtete sie weder auf die tiefe Delle im Mauerwerk noch auf den Riss in Putz und Tapete. Allein die Schmerzen in ihrer Hand ließen sie von einem zweiten Schlag absehen.
Großer Gott!
Als ihr die vollen Konsequenzen seiner Macht klar wurden, stürmte sie in ihr Schlafzimmer, riss kopflos ihren gerade erst wieder verstauten Koffer vom Schrank und begann hastig Kleidungsstücke aus Regalen, Schubladen und Schrank zu kramen.
Grundgütiger!
Sie verharrte reglos und starrte den Gegenstand an. Wer hat die Schusswaffe hier deponiert? Freund oder Feind und zu welchem Zweck? Jemand der von Paris gehört hatte und helfen wollte?
Sofia nahm die Waffe in die Hand und versuchte zu verstehen. Eine Glock? Sie kannte die Waffe nur aus dem Fernsehen, trotzdem gelang es ihr beim ersten Versuch das Magazin herauszuziehen.
Geladen
. Als Sofia auf der
Weitere Kostenlose Bücher