Zwillingsblut (German Edition)
sein.
Sofia wollte Edward wegdrücken, doch ihre Hände verselbständigten sich und blieben – es war unmöglich sie fortzunehmen – auf seinem Hemd ruhen. Selbst durch den Stoff hindurch konnte Sofia die Lebenswärme spüren, die von Edward ausging. Trotzdem erkannte sie, warum er sie küsste. Weil er sie durch ihre Leidenschaft kontrollieren wollte, bis sie ihn mitnahm. Sie war vielleicht leidenschaftlich – aber ohne Kontrolle? Nur weil sie Lust empfand, wenn er sie küsste, hieß das noch lange nicht, dass sie nicht mehr klar denken konnte.
Sie seufzte leise, als sie zu diesem Schluss kam. Solange sie trotzdem noch rationale Entscheidungen treffen konnte, Edwards Küsse sie nicht beeinflussten, konnte er sie küssen, solange er sie wollte. Dann gab es keinen logischen Grund, auch nur eine Sekunde seiner himmlischen Küsse zu verschwenden oder sie gar zu verhindern. Sie schnappte nach Luft, als Edward seinen Mund von ihrem löste und er seine Lippen langsam tiefer gleiten ließ. Ihr Puls wurde schneller, als seine Eckzähne sanft und beinahe fragend über ihre Haut glitten.
»Nein!« Sie machte sich von ihm los und trat einen Schritt zurück.
Allein ihre schreckensweiten Augen hielten ihn davon ab, sie sofort wieder in seine Arme zu schließen.
»Sofia!« er streckte die Hand nach ihr aus.
»Nein!« Sie trat einen weiteren Schritt zurück und starrte seine Hand an, als sei sie ein Fremdkörper in ihrer Welt. »Bleib wo du bist, Edward! Bleib wo du bist!«
Er rührte sich nicht, starrte nur die verletzliche Schönheit vor sich an und wurde sich bewusst, dass er der Grund war, warum sie Angst hatte, der Magistrat, wegen dem sie entsetzliche Qualen litt. Während in ihm alles jubelte, dass es Liebe tatsächlich gab und er sie nach all den Jahrhunderten gefunden hatte, kämpfte Sofia gegen ihre inneren Dämonen, gegen ihre Schuldgefühle wegen des Todes ihrer Schwester, um ein Leben in einer Gesellschaft, die keinen Platz für sie bot und gegen einen unbekannten Mann – den Magistraten – der sie diesen Seelenqualen ausgeliefert hatte.
»Sofia, verzeih!«, bat Edward.
Gott Melanie, ich bin solch ein Idiot!
schalt sich Sofia selber.
Edward wird dichfrüher oder später enttäuschen und im Stich lassen! Wie alle anderen!
Sie kämpfte gegen die Tränen.
»Geh Edward! Geh und kümmere dich nicht mehr um mich. Tu so, als wenn ich nicht existieren würde.«
»Nein!« Ihr Anblick brach ihm das Herz. »Sofia«, flüsterte er leise.
»Sag niemandem wer ich bin«, hauchte die Vampirin und war verschwunden. Edward drehte sich einmal um seine eigene Achse, konnte jedoch nicht ausmachen, wohin sie verschwunden war. »… sonst bin ich tot!« Das leise Flüstern schien aus allen Richtungen zu kommen und direkt aus ihrem Herzen.
»Sofia!« Edward wusste, dass der Ruf umsonst war, dass sie ihn nicht mehr hören konnte oder wollte. Er hatte sie verloren. Gespielt, gesetzt und verloren.
18
Er fühlte sich benutzt. Ein Gefühl, dass ihm ganz und gar nicht behagten. Plötzlich schien jeder sein eigenes Spiel zu spielen und eigene Ziele zu verfolgen. – Jedes Spiel mit Sofia als Hauptfigur.
Als er den Magnus endlich kommen hörte, legte sich Edwards Erregung und machte heißer Wut Platz. Er hatte seinem Freund geglaubt und seinem unfehlbaren Plan vertraut.
Was planst du wirklich, Magnus?
Schon wieder war er zur Königin gerufen worden, schon wieder unvorhergesehen und schon wieder zu einer Zeit, in der eine Störung noch vor Wochen undenkbar gewesen wäre. Doch Morna und Maeve hatten seine Anwesenheit bisher schlichtweg ignoriert.
»Die Zeit läuft mir davon«, meinte Magnus beim Eintreten und bei seinem verzweifelten Gesichtsausdruck spürte Edward einen Stich. Was immer sein Freund geplant hatte, es lief offensichtlich schief.
Morna und Maeve standen nahezu synchron – ein gespenstischer Anblick – von dem einzigen Gegenstand auf, der den kahlen Raum dominierte: Dem Bett. Einem sündigen Traumgebilde aus weißer Seide, so zart und hell wie die Alabasterhaut der Zwillinge, die darauf mehr denn je wie Wesen aus einer anderen Welt gewirkt hatten. Identische, eineiige Zwillinge. Doch als die beiden Zeitgleich ihre Augen aufschlugen, wurde ein gravierender Unterschied deutlich: Morna war wütend, während Maeve gegen den Wahnsinn kämpfte – und verlor. Trotzdem blickten ihre blutunterlaufenen Augen zielgerichtet zur Tür.
»Meine Königin!« Der Magnus kniete nieder und die Blicke der Königin folgten ihm,
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