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Zwillingsbrut

Zwillingsbrut

Titel: Zwillingsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
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entfernt. Er konnte keinen neuen Schaden erkennen. Gab es irgendwo Farbspuren, die sein Fahrzeug mit dem Minivan der dämlichen Schlampe in Verbindung brachten? Auf den ersten Blick entdeckte er keine, aber vielleicht an der Stoßstange oder am Kühlergrill?
    Schnell montierte er die stabile Spezialstange mit dem stählernen Grill von dem dunklen Pick-up. Er hatte sie selbst zusammengeschweißt – sie sah aus wie ein Viehgitter –, und er hatte sichergestellt, dass sie die Nummernschilder aus Idaho, die er vor Jahren von einem schwarzen Pick-up gestohlen hatte, zumindest teilweise verdeckte. Er hatte sich für ein Fahrzeug aus Idaho entschieden, weil die Nummernschilder aus dem benachbarten Bundesstaat in dieser Gegend sehr geläufig waren. Und er war stolz auf sich gewesen, weil er einen Pick-up derselben Marke und noch dazu dasselbe Modell ausfindig gemacht hatte.
    Mein Gott, war das kalt.
    Sein Atem bildete kleine Wölkchen in dem nicht isolierten Schuppen; seine Finger fühlten sich fast taub an. Er arbeitete rasch. Wie schon so oft in der Vergangenheit schraubte er die alten, gestohlenen Nummernschilder ab und brachte die in Montana zugelassenen wieder an. Außerdem zog er die weißen Schaffellüberzüge von den Sitzen, mit denen er das schwarze Leder abgedeckt hatte. Als Letztes nahm er die falschen Aufkleber vom Heck des Wagens ab. Er hatte sie selbst gefertigt: In Wirklichkeit waren es Magnete, die sich spielend leicht entfernen ließen. Der Pick-up, das wusste er, musste stets getarnt werden, auch wenn er ihn nur bei Dunkelheit benutzte. Tagsüber fuhr er seinen silbernen Lexus mit den einheimischen Nummernschildern. Er hatte den Wagen bei einem Händler in Missoula gekauft und rechtmäßig auf seinen Namen angemeldet.
    Zufrieden, dass der Pick-up wieder so unschuldig aussah wie vorher, wuchtete er Grill und Stoßstange zur gegenüberliegenden Seite des ehemaligen Schafstalls, dann breitete er ein Tuch aus, schmirgelte sämtliche Stellen ab, wo er nach peinlich genauer Untersuchung winzige Farbspuren von dem Minivan entdeckt hatte, dann holte er eine Sprühdose mit matter schwarzer Farbe und lackierte beide, bis sie aussahen wie neu. Der Lack würde eine Weile trocknen müssen, erst dann könnte er sie zusammen mit den Sitzbezügen und »Aufklebern« in das Versteck unter dem alten Futtertrog schaffen, wo es immer noch nach längst vergessenen Suffolk-, Targhee- und anderen Rassen roch, die ein halbes Jahrhundert zuvor weit verbreitet gewesen waren.
    Er wusste, dass er übervorsichtig war, doch er wollte nicht den Fehler machen, die Polizei zu unterschätzen. Er hätte nicht schon über ein Jahrzehnt an seiner Mission arbeiten können, wäre er nicht vorsichtig gewesen, und selbst so war er bereits auf einige Probleme gestoßen. Wenngleich er laut IQ -Tests ein Genie und um einiges schlauer war als sein Vater, durfte er nicht übermütig werden.
    So weit, so gut.
    Und dann spürte er es. Ein Kribbeln im Nacken – eine Warnung. Das seltsame Gefühl, in diesem eiskalten Schuppen von unsichtbaren Augen beobachtet zu werden.
    Sein Puls schoss in die Höhe, und er fuhr herum, blickte in jeden spinnwebenverhangenen Winkel, in jede dunkle Türöffnung, doch da war niemand. Schließlich starrte er mit zusammengekniffenen Augen durch das schmutzige Fenster auf die verschneiten Felder.
    Nichts Außergewöhnliches.
    Er war bloß nervös. Weil er die Dinge vorantrieb. Seine Arbeit war jetzt gefährlicher denn je. Das Heulen des Windes in den Dachsparren klang wie unheimliches Gelächter, Spott. Plötzlich brach ihm der Schweiß auf der Stirn aus.
    Nun lass mal nicht deine Phantasie durchgehen!
Er atmete tief durch.
Du bist derjenige, der am Hebel sitzt. Du entscheidest, wer stirbt. Vergiss das nicht,
redete er sich ein und beruhigte sich wieder vollkommen.
    Zufrieden sperrte er den Schuppen ab und joggte zurück zum Haus, wo er unter die Dusche gehen und sich rasieren wollte. Dann konnte der Tag beginnen. Der »Unfall« in der Nähe der North Fork Bridge würde Thema in den Nachrichten sein, und er wollte mitbekommen, was die Reporter und das Büro des Sheriffs dazu sagten.
    Für diese Augenblicke lebte er, wenn er wieder einmal ordentlich und sauber eine der »Unwissenden« ausgelöscht hatte und die Aufregung deshalb noch frisch war. Schon bald würde die Aufmerksamkeit nachlassen und die Story aus den Schlagzeilen verschwinden.
    Was gut war,
rief er sich vor Augen, als er, zwei Stufen auf einmal nehmend, die

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